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Wenn Liebe die Antwort ist, wie lautet die Frage? - Lilias Tagebuch

Wenn Liebe die Antwort ist, wie lautet die Frage? - Lilias Tagebuch

Titel: Wenn Liebe die Antwort ist, wie lautet die Frage? - Lilias Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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schlechte Musik oder was?«
    »Zeit!« Herr Welter sah sich begeistert um, aber niemand freute sich mit ihm. »Stellt euch mal vor: Diese Frau, die ihr da eben gehört habt, hat einst Vincent van Gogh die Hand geschüttelt. Und sie hätte auch mir noch die Hand schütteln können. Euch nicht, aber euch hätte sie vielleicht noch übers Babyköpfchen streicheln können.« Herr Welter schritt durch die Tischreihen, hielt bei Nina an, nahm ihr das Handy aus der Hand, mit dem sie gerade unterm Tisch eine SMS versandt hatte, ging nach vorn und legte es aufs Pult. »Als Jeanne Calment 1875 in Frankreich geboren wurde, war das Telefon noch nicht erfunden, der Eiffelturm noch nicht gebaut, es gab noch keine Autos, keine Kühlschränke, keine Flugzeuge«, sagte er, ohne auf Ninas Protest einzugehen.
    »Ja, und in Frankreich lebten noch die Gallier«, brummte Tobi.
    Herr Welter erdolchte ihn mit Blicken, aber er war viel zu begeistert, um seinen Redeschwall zu unterbrechen. »Als der Erste Weltkrieg ausbrach, war Jeanne Calment 39. Als der Zweite begann, war sie 64. Und als sie starb, habt ihr schon gelebt. Jeanne Calment wurde 122 Jahre, 5 Monate und 14 Tage alt.«
    »Halleluja«, sagte Fabi. »Wie hat sie das geschafft?«
    »Man weiß es nicht. Sie hat sogar geraucht. Vermutlich waren es die Gene. Sie musste aber auch nie in ihrem Leben hart arbeiten.«
    Hoho, haha, hört, hört. Stimmengemurmel überall.
    »Arbeitsaufgabe!«, donnerte Herr Welter. »Und bevor ihr jetzt meutert, Arbeit sei ungesund: Harte Arbeit ist echt was anderes. Das hier schadet keinem! Passt auf: Im Jahr 1891 war Jeanne Calment 16 Jahre alt, so wie ihr jetzt. Stellt euch vor, sie säße euch gegenüber und ihr hättet eine Frage frei. Was würdet ihr fragen?«
    »Sprechen Sie Deutsch?«, murmelte Tom.
    Herr Welter warf ihm einen langen Blick zu. »Los jetzt, Leute. Was wollt ihr über das Leben von Jugendlichen im Jahr 1891 wissen? Jeder überlegt sich eine Frage, kommt vor und schreibt sie an die Tafel.«
    10.17 Uhr  Und das stand an der Tafel:
    Haben Ihre Eltern oder Ihre Lehrer Sie geschlagen?
    Wie haben Sie sich gestylt, wenn Sie abends weggegangen sind? Was hatten Sie an? Waren Sie geschminkt?
    Durften Sie abends überhaupt weg?
    Hatten Sie eine Kutsche?
    Welche Musik haben Sie gemocht?
    Was haben Sie gegessen? Und getrunken? Gab es schon Cola?

    Wann haben Sie zum ersten Mal einen Jungen geküsst?
    Hatten Sie ein Klo in der Wohnung?
    Was waren Ihre Hobbys?
    Hatte van Gogh noch beide Ohren, als Sie ihn gesehen haben?
    »Interessant«, sagte Herr Welter, als er einen Blick auf die Tafel geworfen hatte. »Wir gehen jetzt in den Computerraum und ihr recherchiert jeweils zu zweit die Antworten auf diese Fragen. Und wenn sich keine exakte Antwort finden lässt, so wievermutlich bei der Frage nach dem ersten Kuss, dann recherchiert ihr eben, wie realistisch es ist, dass Jugendliche 1891 mit sechzehn schon jemanden geküsst haben.«
    11.10 Uhr  Echt interessant, was wir herausgefunden haben:
    Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Jeanne Calment von ihren Eltern geschlagen wurde. Von ihren Lehrern nicht, aber nur, weil sie als Mädchen damals vermutlich nicht zur Schule gegangen ist. Die Jungs wurden dort geschlagen, das war ganz normal. Selbst hier bei uns durften Lehrer noch bis 1972 ihre Schüler schlagen.
    Zu den Klamotten: Man trug als Mädchen helle, bodenlange Kleider mit Glockenrock, Puffärmeln und sehr schlanker Taille. Dafür, dass die Taille auch wirklich wespenhaft schmal war, sorgte ein eng geschnürtes Korsett. Unterhosen hießen »die Unaussprechlichen« und hatten Hosenbeine bis fast zum Knie. Und obenrum trugen die Damen schon so etwas Ähnliches wie einen BH . Das merkwürdige, wattierte Gebilde hieß »Brustverbesserer«. Die Haare trugen Mädchen damals lang, sie wurden hochgesteckt, und darauf gehörte zumindest draußen ein Hut.
    Geschminkt haben Mädchen sich nicht. Der Lippenstift war zwar schon erfunden, galt aber als sündhaft und unfein. Feine Damen schwärzten sich aber die Wimpern und die Augenbrauen, sie puderten sich einen hellen Teint und färbten sich auch heimlich die Wangen rot.
    Zum Thema Küssen: Das 19. Jahrhundert war eine extrem prüde Zeit und Erzieher haben alles getan, damit Jungs und Mädchen sich möglichst nie ohne Aufsicht trafen. Ob das allerdings gelungen ist? Ich habe da so meine Zweifel. Mit einundzwanzig heiratete Jeanne Calment aber einen Cousin und den wird sie ja wohl geküsst haben. Sie liebte

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