Wenn Liebe die Antwort ist, wie lautet die Frage? - Lilias Tagebuch
steigt er aus, sieht ein paar Sekunden lang umwerfend aus, schreitet dann ums Fahrzeug herum, öffnet die Beifahrertür und Bella steigt aus. Auf dem Schulhof wird es still. Ein Mädchen sagt »Oh, mein Gott«. Und Bella und Edward gehen Seite an Seite langsam über den Schulhof und er verschlingt sie durch seine riesige Sonnenbrille hindurch mit Blicken. Ein großer Moment!
Sie ist ein bisschen schüchtern und sagt ganz zart: »Du weißt, alle starren uns an.« Jetzt Zeitlupe. Man sieht die anderen, sie starren wirklich rüber. Aber Edward entgegnet überaus männlich: »Wir brechen jetzt sowieso alle Regeln.« Dann legt er beschützend seinen Arm um ihre Schulter und sieht noch ein bisschen umwerfender aus.
8.30 Uhr Tja. So war es heute bei Tom und mir NICHT .
Ich habe vorm Haus auf ihn gewartet, aber er kam ewig nicht. Irgendwann tauchte er auf, ohne Fahrrad, das hatte nämlich einen platten Hinterreifen. Kurz war es dann auch bei uns sehr romantisch: Tom schloss mich in seine Arme und küsste mich, wie man sich zu Zeiten, als Frau Witt jung war, garantiert nicht mal im Schlafzimmer geküsst hat. Und auf der Straße schon gleich gar nicht. Hoffentlich hat Frau Witt das nicht gesehen, sonsterzählt sie es wieder Paps und er kauft sich noch mehr Erziehungsbücher. Ein Kuss, dann war aber Schluss, denn wir hatten nur noch ein paar Minuten Zeit und mussten zur Schule rennen.
Die Tür vom Bio-Saal war schon zu, als wir kamen. Niemand rief »Oh, mein Gott«, als wir sie aufrissen, reinhetzten und uns auf unsere Plätze fallen ließen. Herr Welter knurrte nur »Auch schon da?«, und das war’s.
Und da sitzen wir jetzt. Ich auf der einen Seite des Raums, am Fenster, er auf der anderen, an der Tür. Ich habe keine Ahnung, worüber Herr Welter spricht. Aber ich weiß genau, wie Tom mich gerade ansieht. Anbei bemerkt: Er sieht viel umwerfender aus als Edward im Film. Und ich wünsche mir nur eins: Ich möchte endlich mal wieder mit ihm allein sein. So wie auf der Insel. Da waren wir morgens, mittags, abends und nachts allein. Und in diesem Raum hier sind definitiv dreißig Menschen zu viel. Oder nein, eigentlich nur zwei. Tom und ich, wir sind hier zu viel, wir sollten woanders sein.
8.45 Uhr Ich habe jetzt doch mitbekommen, um was es heute geht: um Verdauung. Menschen haben zwei Arten von Speichel, dünnflüssigen Verdauungsspeichel und schleimhaltigen Gleitspeichel. Ja, da lohnt sich doch der Schulbesuch. Mein Leben wäre ärmer, wenn ich das nicht wüsste. Ob ich das beim nächsten Kuss wieder vergessen kann?
9.15 Uhr »Wenn ihr glaubt, dass ihr mich jetzt für heute überstanden habt, dann täuscht ihr euch«, sagte Herr Welter eben gut gelaunt zu uns . »Wir sehen uns gleich nach der Pause im Klassenzimmer wieder.« Wieso das denn?
9.40 Uhr Tatsächlich. Da steht er wieder, vorne an der Tafel. Frau Kracht ist schwanger und ihr Mutterschutz hat angefangen. Wir haben Herrn Welter jetzt bis zu den Sommerferien auch in Geschichte.
Für mich ist das okay, ich sehe ihn immer gern. Sein Anblick ist so schön augenschonend und reizarm. Alles an ihm ist nämlich beige. Haare, Haut, Kleidung, sogar die Zähne. Wenn er direkt vor der beigen Wand in unserem Klassenzimmer steht und sich nicht bewegt, sieht man ihn fast nicht. Frau Kracht ist immer so laut und grell.
Mir persönlich sind unauffällige Lehrer lieber als solche in Kontrastfarben. Man muss Lehrpersonen ja oft und lange ansehen, und wenn man dabei immer über ihr Aussehen und ihre Klamotten nachdenkt, kommt man gar nicht zu anderen Überlegungen. Bei Herrn Welter ist das kein Problem, bei ihm kann man die Seele baumeln lassen.
9.48 Uhr Na, auch nicht immer. Für heute hat er etwas vorbereitet. Er spielt uns gleich ein Lied vor und wir sollen raten, was das ist. Gerade kämpft er noch mit technischen Problemen.
9.51 Uhr Uuuh. Wo hat er das denn her? Klingt grauenhaft. Ein Technobeat und dazu die zittrige Stimme einer alten Frau.
9.55 Uhr Herr Welter ließ uns nicht lange raten, was wir da hörten. »Das ist Jeanne Calment, die älteste Frau der Welt. Zum Zeitpunkt dieser Aufnahme war sie 121 Jahre alt. Sie hat mit dieser CD einen Kleinbus für ihr Altersheim mitfinanziert.«
»Krass!«, röhrte Fabi. »Hat das jemand gekauft?«
»Ich zum Beispiel.« Herr Welter schaltete den Krach ab und rieb sich zufrieden die Hände. »So. Das war der Einstieg in unser neues Thema.«
»Welches Thema?«, fragte Fabi misstrauisch. »Alter, Tod,
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