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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Malou
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hier auf dem camino eben nicht nur einmal, sondern immer wieder — purer Zufall — manchmal auch nach vielen Tagen erneut wieder.
    Diese Männer, beide so um die sechzig Jahre alt, sind sich auch einig, dass es hier so viele preiswerte Quartiere gibt, dass es nicht mehr unbedingt der Schlafsaal mit 38 Betten und oft überlasteten Sanitäranlagen sein muss, sondern, dass ein wenig Komfort und eine ruhige Nacht in einer Pension oder einem hostal viel wert sind. Das sehe ich auch so, obwohl offensichtlich auch in den Herbergen, albergue, ein altersmäßig sehr gemischtes Publikum anzutreffen ist. Viele Ältere gehen dort hin, weil sie Kontakt und Gespräche suchen. Heute haben wir beobachtet, dass in der nahe gelegenen Herberge spanische Schulklassen eingefallen sind, sodass wir alle sehr froh sind, dass wir separat schlafen.
    Meine Kontakte, die ich bisher auf dem Weg hatte, ergaben sich fast alle beim Laufen. Wenn man sich wegen unterschiedlicher Pausenzeiten und Fotostopps das dritte, vierte Mal überholt, dann kennt man sich vom Sehen, und oft ergeben sich Gespräche. Außerdem wird am camino jeder immer von allen so freundlich begrüßt, wie ich es noch nicht erlebt habe. Es ist sicher eine besondere Sorte Mensch, die hier anzutreffen ist.
    Der heutige Abend klingt gegen 21.00 Uhr, kurz nach Sonnenuntergang aus, es wird kühl, und alle sind müde und sehen erwartungsvoll dem nächsten Tag entgegen.

20. Tag:
    Portomarín — Hospital de la Cruz (12,8 km), 24. Juni

    Heute Morgen, schon beim Aufwachen, merke ich, dass es mir schlecht geht, so richtig. Ich fühle mich noch immer hundemüde und zerschlagen, habe Gliederschmerzen und Kopfweh. Mit Mühe rappele ich mich auf und bin um 7.00 Uhr startklar. Draußen ist es wieder ungemütlich, also volle Ausrüstung: lange Hose, Jacke. Es ist neblig und kühl, als ich loslaufe. Nach kurzer Strecke führt mein Weg mich neben der Straße entlang wieder bergauf, und das fast eine Stunde lang. Der Nebel und die Steigung machen mir zu schaffen, heute ist mir der Rucksack wieder zu schwer, und ich bin völlig fertig.

    Als die Sonne endlich den Nebel durchbricht, verändert sich der Weg, führt mich nun durch kleine Waldstücke, an Wiesen vorbei; auch gibt es Heidekrautberge und immer wieder blühende Blumen in Lila, Rosa, Gelb, Blau und Weiß. Ein Schauspiel der Natur und ich mache viele Fotos, immer aus verschiedenen Perspektiven. Diese Blumen haben es mir einfach angetan, und ich erfreue mich daran.
    Inzwischen sind auch viele andere Pilger erwacht, und ich erlebe heute zum ersten Mal eine richtige Pilgerflut auf den letzten hundert Kilometern nach Santiago de Compostela.
    Viele junge Spanier, die besagten Schulklassen des letzten Tages, junge Familien mit sechs- bis achtjährigen Kindern und natürlich die übliche Pilgerschar sind auf dem Weg. Ich fühle mich fast wie am Samstagvormittag auf der Haupteinkaufsstraße in der Stadt. Das hätte ich nicht erwartet, und ich bin nicht froh darüber, dass meine relative Einsamkeit nun vorbei ist.
    Es wird warm, und mir geht es noch immer nicht gut, ich fühle mich schwindelig und benommen. Aus diesem Grund entscheide ich, eine längere Pause einzulegen, suche mir einen sonnigen Platz auf einer Wiese, breite meine Decke aus und lege mich lang, den Kopf auf meine Handtasche, die Beine erhöht über den Rucksack gelegt. Auch wenn das Gras noch nass vom Tau ist — mit der Decke geht es, und ich bin froh, dass ich ausruhen kann. Offensichtlich spielt mein Kreislauf verrückt. Ich liege über eine Stunde, trinke viel und genieße die Wärme der Sonne. Als ich wieder aufstehe, fühle ich mich immer noch nicht gut, doch ich will weiter.
    Im nächsten Ort frühstücke ich erst einmal ausgiebig, denn inzwischen ist es 10.30 Uhr, und ich hatte noch nichts im Magen. Ich merke das erste Mal auf meiner Tour, dass ich vorsichtiger mit mir umgehen muss. So entscheide ich, dass ich heute früher Schluss mache als geplant, denn mein Etappenziel war ursprünglich Palas de Rei. Doch weil es mir nicht gut geht, stoppe ich gegen 13.00 Uhr in Hospital de la Cruz, sobald ich eine ansprechende Gaststätte mit Vermietung finde. Zwar habe ich heute nur knapp dreizehn Kilometer geschafft, aber die Wege und Tage hier sind nicht planbar. Jede Wegstrecke ist anders und die Tagesverfassung auch. Heute muss ich ausruhen. Ich schlafe fast den ganzen Nachmittag, liege im Bett und höre Musik vom MP3-Player, und es dauert nicht lange, bis es mir deutlich besser

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