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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Malou
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auch in den anderen Lokalen ist es offensichtlich Sitte, Zigarettenkippen, Servietten, Olivenkerne und was es sonst noch so gibt, einfach auf den Fußboden zu werfen. Aschenbecher gibt es demnach auch nicht. Ab und an, spätestens nach Geschäftsschluss, wird dann ausgefegt, und so ist alles wieder sauber, und man erspart sich das umständliche Säubern von Aschenbechern. Diese Mentalität ist anders als bei uns und sicher für viele ordnungsliebende Deutsche ungewohnt.
    Ich sitze in der Abendsonne mit den anderen zusammen, esse und rede und gehe, nachdem die Sonne kurz nach 21.00 Uhr untergegangen ist und es kalt wird, in mein Quartier.

22. Tag:
    Palas de Rei — Melide (17 km), 26. Juni

    Heute Morgen gibt es Frühstück in der Pilgerherberge, und ich genieße café con leche und ein Croissant. Um 7.30 Uhr mache ich mich dann wieder auf den Weg. Das Wetter ist gemischt: nicht allzu kalt, aber trocken und keine Sonne. Zum Laufen ist das in Ordnung. Aus allen Richtungen strömen die Pilger zusammen auf den Weg, viele auch mit nur wenig oder gar keinem Gepäck. Ab Sarria, gut 120 Kilometer vor Santiago de Compostela, wird ein Gepäckdienst gegen Gebühr angeboten, der die Gepäckstücke bis zur nächsten Station befördert, sodass man das Gepäck nicht tragen muss, und offensichtlich macht ein Teil der Kurzpilger davon Gebrauch. Für mich steht das nicht zur Diskussion; viel zu groß wäre meine Angst, dass das eventuell nicht funktionieren könnte und ich dann so ganz ohne meine Sachen dastünde. Außerdem habe ich so immer das dabei, was ich gerade brauche, und auch das ist mir wichtig.
    Mein Weg geht heute mal wieder bergauf, neben der Straße entlang. Es dauert stets einige Zeit, bis ich die Ortschaften verlassen habe und dann die Wegführung wieder die Natur trifft. Und wirklich, nach circa zwanzig Minuten Wegstrecke, beginnt ein Waldstück, durch das sich der Weg hindurchschlängelt. Die Natur zeigt sich abwechslungsreich. Es gibt verschlungene, tief liegende Wege, die links und rechts von mit Efeu bewachsenen Erdwällen umsäumt sind. Weiter sehe ich freie, breite Wege, die durch Wiesen führen, die mit hohen Gräsern bewachsen sind. Zwischendurch überquere ich kleine Bäche, die gurgelnd den Weg kreuzen, um ihn dann zu begleiten. Dann gibt es wieder »Märchenwälder«, knorrige Eichen, die Efeu bewachsen ein Blätterdach bilden, sodass es auf dem Weg dunkel wird. Ich laufe auch an Pinienhainen vorbei, und einmal sehe ich plötzlich auf einer Lichtung ein Reh stehen, das erste, dem ich in den letzten Wochen begegne. Weiter erreiche ich ein Feuchtbiotop, in dem es ein wundervolles Froschkonzert zu hören gibt.

Froschkonzert
Bäume, groß und Licht durchflutet,
breiten schützend und bewahrend
ihr Blätterdach über die Sinfonie
der Frösche, die lautstark werbend,
einander suchen, sich finden,
sich quirlig anquaken,
viele verschiedenartige Tonarten anstimmen,
um schließlich
im Halbdunkel des Waldes,
im seichten, seidigen Wasser des Weihers,
im Grün der Blätter
auftauchen, abtauchen
und schließlich sich
in verschiedenen Tonarten verstecken.

    Gebannt bleibe ich stehen und lausche dem Konzert der Natur. Es ist sonst still um mich herum, und ich nehme den Geruch nach Moos und Erde im feuchten Wald wahr. Dieser Weg ist etwas für die Sinne, die man hier im Laufe der Tage durch das Alleinsein schult und wieder lernt, wahrzunehmen. Unglaublich, welche Details dem Sehenden bewusst werden, wenn man mit Zeit und geöffneten Augen das Land durchstreift!
    Immer wieder durchquere ich kleine Ortschaften, bewundere aufs Neue die schönen, alten Steinhäuser, überquere eine Steinbrücke in bizarrer Form, die mit drei Torbögen einen kleinen Fluss überquert und neben einer kleinen Treppe einen ohne Schema gepflasterten Überweg aufweist.
    Hinter jeder Kurve finde ich etwas Neues. Zwar ist die Natur hier nicht mehr so imposant wie im Gebirge, aber immer noch schön und verwunschen. Das, was mich zunehmend stört, sind die Pilgergruppen, die immer mehr die Natur erobern. Und ich bemühe mich stets, alle vorbeizulassen, damit ich dann in Ruhe laufen kann, was durchaus möglich ist. Seit Sarria gibt es Kilometersteinpoller, auf denen das Muschelsymbol zu sehen ist und der Kilometerhinweis bis Santiago de Compostela. Kurz vor Melide, meinem heutigen Ziel, sind es noch 58 Kilometer, und ich komme meinem nächsten Übernachtungsort langsam, aber sicher immer näher.
    Direkt vor Melide durchquere ich noch einmal ein

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