Wenn nicht jetzt, wann dann?
einmal meine Jacke ausziehen, weil es zu warm ist. Das Wetter beschert mir heute Wechselbäder. In der Sonne ist es angenehm warm, es weht jedoch ein kalter Wind, und immer wieder gibt es Wolken, die die Sonne verdecken, sodass ich friere. Spanienwetter aus dem Bilderbuch ist das nicht! Inzwischen erreiche ich wieder ein kleines Flüsschen, das Wasser ist kristallklar, sprudelt um mich herum, und ich überquere diese schöne Stelle auf riesigen Feldsteinen trockenen Fußes. Das Licht der Sonne durchbricht das Blätterdach des Waldes, sodass sich im Wasser hell schillernde Flecken ergeben.
Licht und Schatten
Im Wechselspiel der dunklen Blätter
durchbricht die Sonne,
mit ihren Strahlen funkelnd,
das Dach der Blätter,
bis sie, schillernd wie Smaragde,
das klare Wasser eines Baches
samt seinen hellen, hingeworfenen Steinen
belichtet und beleuchtet,
sodass das kristallfarbene Wasser
sonnendurchflutet und Blätter beschattet,
im farbenprächtigen Wechselkleid
zielgerichtet seinen Weg sucht,
bis es sich im Farn- und Efeuwald
versteckt, so wie auch
das Leben in Licht und Schatten
von jedem immer wieder
neu zu entdecken ist.
Die Natur hat immer wieder solch imposante Bilder, dass ich ständig neue, wechselnde Motive mit meiner Digicam festhalten kann. So entdecke ich in einem Garten einen Zitronenbaum, der voller Früchte hängt.
Nach knapp fünf Stunden Fußmarsch erreiche ich mein nächstes Ziel, Arzúa. Auch hier mache ich Rast, um etwas zu trinken, um Pause und Kraft zu finden für die stets etwas nervige Zimmersuche. In der Hauptstraße frage ich zweimal nach Zimmern und höre 15,00 € und 18,00 €, und beides erscheint mir zu teuer. In einer Nebenstraße finde ich dann durch Nachfragen bei Passanten ein Zimmer für 12,00 €, zwar mit Etagenbad, aber immerhin sauber und soweit brauchbar. Also wieder Pause, ausruhen, Sightseeing. Leider bietet dieser Ort nicht sehr viel Interessantes.
Jedoch habe ich bei der Touristinformation endlich mal Glück, denn diese ist geöffnet, und es gibt eine Spanierin, die auch englisch spricht. Vorerst bekomme ich hier meinen obligatorischen Stempel und dann noch einen kostenfreien Stadtplan von Santiago de Compostela, wovon ich jetzt noch vierzig Kilometer entfernt bin. Auf mein Nachfragen kann ich dann auch eine Informationslücke schließen, denn in Galicien sind mir überall auf meinen Wegen die horreos aufgefallen, kleine, längliche Holzhäuschen mit Dach, die auf »Holzbeinen« stehen. Die freundliche, junge Dame im Fremdenverkehrsbüro erklärt mir, dass es Maisspeicher sind, die dazu dienen, die Mäuse daran zu hindern, die Maisvorräte für das Brot aufzufressen. Froh über diese Information, nachdem ich nun tagelang darüber gegrübelt habe, gehe ich noch eine Runde durch die kleine Stadt, in der sich auch wieder überall Straßencafés aneinanderreihen.
Ich setze mich auf einen geschützten Platz und genieße die Sonne, und es dauert keine zehn Minuten, bis ich Besuch bekomme. Ein Pilger von vorgestern setzt sich für einen Kaffee und ein Gespräch zu mir. Nach kurzer Zeit trifft er am Nachbartisch wieder Bekannte, mit denen er gerne redet, und zu mir gesellt sich eine 62-jährige Pilgerin, die froh ist, jemanden zu treffen, der deutsch spricht. Sie hat gerade ihre Rentenzeit begonnen und sucht nun hier auf dem Weg ihren persönlichen neuen Weg. Wir haben ein interessantes Gespräch miteinander, bis sie sich wieder verabschiedet, um mit anderen Pilgerbekannten ihren Weg fortzusetzen. Wir sind sicher, dass wir uns in Santiago wieder treffen werden, als wir auseinander gehen. Hier in den kleinen Städten, wo jeder Zwischenstation macht, braucht man sich nur an einen zentralen Punkt zu setzen, und man wird immer Bekannte treffen. Oder andere Pilger sitzen am Nebentisch, und man kommt mit allen sehr leicht in ein Gespräch, wenn man das möchte.
Abends sitze ich mit Bekannten in einem sehr schönen Restaurant, in dem ich ein Pilgermenü für 10,00 € bekomme. Ich genieße vor allem die Atmosphäre, denn es gibt nach so langer Zeit Stoffservietten und eine Tischdecke in Grün, und dazu wird eine Flasche Wasser oder Wein gereicht. Das Menü ist ein Auswahlmenü: plato uno, plato secundo und postre und pan, was so viel bedeutet, dass ich aus der ersten und zweiten Menüfolge wählen kann. Ich entscheide mich für eine Gemüsekreation in plato uno und für Rindfleisch mit Kartoffeln in plato secundo. Endlich mal gekochtes Gemüse und auch Kartoffeln, das habe ich bisher
Weitere Kostenlose Bücher