Wenn nichts mehr ist, wie es war
Auslegung des Gla u bens auch ganz schön extrem. Mein Vater war ein Arschloch. Er belog und b e trog, was das Zeug hielt, konnte aber immer den Schein wa h ren. Als ich auf die Welt kam, war meine Mutter en t setzt. Ich habe nämlich ein Muttermal, das sie als Te u felskralle interpretierte. Eigentlich war das mein Todesurteil. Da meine Mu t ter aber nicht nur extrem religiös war sondern auch ein bisschen Grips hatte, behielt sie mich, aber den Tag hindurch ignorierte sie mich haup t sächlich und in der Nacht kam sie an mein Bett, stellte Kerzen auf und startete den Ver such, mir betend den Teufel ausz u treiben. Ich musste läuternde Bäder ne h men, die aus eiskaltem oder kochendheissem Wasser b e standen und manchmal musste ich ekelhafte Mixturen trinken, die meine Seele hätten retten müssen . Leider war ich aber ent g e gen dem Glauben meiner Mutter doch nur ein Mensch. Durch die ewige Tortur hatte ich abwechselnd Verbrennungen und Erfrierungen und ich verbrachte ganze Näc h te damit, mich zu übergeben. Oft denke ich, dass sie mich mit di e sem Zeug irgendwann zu vergi f ten hoffte. Wie es aussieht, gelang es ihr aber nicht.“ Jérémie ve r stummte abrupt .
„Und dann?“ Beths Taktgefühl wurde durch ihre Neugierde übe r scha t tet.
„Ist das nicht genug für einen Abend?“
„Lass mich jetzt nicht hängen. Du scheinst mir ziemlich normal zu sein, wie hast du das geschafft?“
„Du sprichst meine Psyche an? Beth, du solltest dich nicht auf den ersten Eindruck von einem Menschen verlassen, das kann gefäh r lich we r den.“
In Jérémie s Augen blitzte etwas auf, das Beth einen Schauer über den Rücken jagte.
„Vielleicht noc h ein Guinness?“ Beth hatte ihres l eer, aber es war ihr nicht zum K ichern zumute. Sie ve r suchte ihr unbehagliches Gefühl abzuschütteln und redete sich ein, dass sie sich alles nur einbildete. Möglicherweise war ein Gui n ness doch genug.
„Gerne. Aber diesmal hole ich es.“ Der düstere Gesichtsausdruck war so schnell wieder verschwu n den, wie er gekommen war .
Die neuen Gläser standen im Eiltempo auf dem Tisch. Zufällig berührte Jérémie Beths Arm und es durc h zuckte sie wie ein Blitz. „Definitiv, ein Glas hätte g e reicht.“
„Hast du etwas gesagt?“
Beth schaute auf. Sie war sich nicht bewusst gewesen, diese B e merkung laut ausg e sprochen zu haben.
„Nein! Ich, ehm, habe nur laut gedacht, nicht so wic h tig.“ Reiss dich zusammen , mahnte sie sich selbst und hoffte, dass sie w e nigstens das wirklich nur gedacht ha t te.
Wo das Bier nun mal auf dem Tisch stand, stiessen sie noch ei n mal an und g e nossen es auch.
„Also, ich habe dir von meiner verkorksten Kindheit e r zählt, jetzt bist du dran“ , n ahm Jérémie den Faden von N euem auf.
„Du gibst wohl nie auf, was?“
„Du doch auch nicht.“
Beth sah ein, dass diese Schlussfolg e rung richtig war und Jérémie nach seiner Erzählung fairerweise auch ihre Geschichte verdient hatte. „Mein Vater hatte einen schweren Autou n fall. Zu dieser Zeit war ich aber noch nicht auf der Welt. Ich kenne ihn nur mit di e sem Rollstuhl. Anders kann ich ihn mir nicht vorste l len. Aber manchmal gibt es Phasen, in denen er versucht aufzustehen. S o weit ich weiss, schaffte er es aber nie. Nach solchen Akti onen ist er immer n iederg e schlagen.“
„Warum tut er es dann immer wi e der?“
„Einmal habe ich meine Eltern belauscht, nachdem mein Vater wieder versucht hatte aufzustehen. Er sagte zu meiner Mutter, dass der Arzt ihm damals schliesslich gesagt hatte, es würde eine wi n zige Möglichkeit bestehen, d ass er wieder le r nen könnte zu G ehen. Ich glaube, an dieser Hoffnung hält er einfach fest und versucht es darum immer weiter. Und wenn es nicht klappt, hat er es wenig s tens ve r sucht . Einmal, da war ich noch klein, habe ich ihn direkt angespr o chen, so wie Kinder eben sind, und ihn gefragt , weshalb er immer in einem rollenden Stuhl sitze und nicht wie bei anderen Kindern, neben mir her la u fen würde. Er zog mich auf seinen S choss und sagte mir, er würde das tun, damit er immer gleic h gross sein könne wie ich . Jetzt ist er kleiner. Aber irgendwie hoffe auch ich, dass er eines Tages wieder gleic h gross sein kann wie ich es bin. “
„Das ist gut, diese Geschichte gefällt mir um einiges besser als me i ne.“
„ Jérémie , ich habe noch eine Frage.“
„Was de nn? Möchtest du noch wissen ob Würmer hus ten kö n nen?
Etwas irritiert über diesen
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