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Wenn nichts mehr ist, wie es war

Wenn nichts mehr ist, wie es war

Titel: Wenn nichts mehr ist, wie es war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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und beobachtete das Schauspiel. In einem Tierfilm würde man jetzt wah r scheinlich den Sprecher in einem weichen Singsang sagen lassen: ‚Das Weibchen bewegt sich in ihrer gewohnten Umgebung vollkommen selbstverstän d lich und selbstbewusst. ’ Er zuckte mit den Schultern und trug se i nen Teil zur Situation bei , indem er einen der letzten Stehtische ergatterte. Kurz darauf kam Beth mi t zwei Pint Gui n ness zurück und setzte sie auf dem Tisch ab.
    Anerkennend nickte er und nahm eines der Biere zu sich. „ Gute Wahl! Santé!“
    „Cheers!“ Beth nahm einen grossen Schluck und setzte das Glas wieder ab. Genüsslich liess sie ihre Zu n ge über i hre Oberlippe gleiten und ein s eliges Lächeln breite te sich über ihr ganzes G e sicht aus.
    „Das ist jetzt genau das R ichtige. Aber sei gewarnt, ich tendiere nach einem Glas ein bisschen zu unkontrollierten Kicheranfä l len.“
    „Ach ja? Wenn das so ist, muss ich dein Bier l eider aufgrund nicht einzusch ätzender Folgen nach dem Konsum beschlagnahme n .“ Spiel e risch zog er ihr Bier zu sich und wollte bereits zum T rinken ansetzen, als Beth protesti e rend eingriff.
    „Einen Moment! D ie Folgen sind voraussehbar, weil ich es dir gesagt habe, also her mit dem Getränk.“ Eilig entriss sie ihm ih r Glas, bevor die dunkle Flüssigkeit auf seinen Mund traf. Es en t stand eine kurze Pause, in der sich beide intensiv mit der Betrac h tung ihres Pints beschäf tigten. Jérémie setzte als erster wieder zu einem G e spräch an.
    „Sag mal, darf ich f ragen, warum dein Vater im Rol l stuhl sitzt?“
    Beth schaute auf und traf direkt seine Augen. Der Schalk umspie l te ihre Gesichtszüge. „Du darfst fragen. Aber erwartest du auch eine An t wort?“
    „Nein, normalerweise nicht. Aber in diesem besonderen Fall wü r de mich die Antwort wirklich interessi e ren, wenn ich damit nicht einen wunden Punkt treffe.“
    „So wie ich bei dir gestern?“ Sie wusste, dass sie mit di e sem Spruch ihr Glück herausfordert e und sie spür te, wie er zögerte. Besser, d achte sie. Gestern hatte er ohne zu zögern den Rückzug angetreten. E i gentlich erwartete sie nicht wirklich eine Antwort, sie ging eher davon aus, dass er das Thema wieder auf ihren Vater lenken würde. Aber sie hatte sich geirrt. Diesmal spie l te er mit.
    „In der Tat. Ich dachte schon, du hättest mein Benehmen von ge s tern vielleicht vergessen. Stell dir vor, dass ich gestern einfach so abgerauscht bin und darüber hinaus noch meine Manieren verge s sen h a be, war mir äusserst peinlich und ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich es wieder gut machen kann. Schlies s lich wird in diesem Fall ein Profi und nicht ein Kindskopf g e braucht.“
    „Wow, jetzt bin ich aber wirklich übe r rascht.“
    Mit schief gelegtem Kopf und zusammengekniffenen Augen blit z t e er sie an. Sie lächelte mitleidig. „Nein, im Ernst. Ich habe mir g e dacht, dass ich wohl einen Schritt zu weit gegangen bin. Weißt du, ich glaube, du verstehst etwas von deinem Handwerk und da r um vertraue ich dir. Das ändert aber nichts daran, dass es Dinge im Leben eines Me n schen gibt, die selbst den bulligsten Bullen aus dem Konzept bringen.“ Sie verstummte und wurde dann ernst. „Darf ich dich auch etwas fr a gen?“
    „Ich ahne , was kommt. Aber ja, du darfst. Denn wie war das noch mal? Fragen darfst du, ob du eine Antwort erhältst, ist etwas and e res. Da ich auf meine Frage tatsächlich noch keine Antwort erha l ten habe, werde ich wohl ähnlich mit deine r verfa h ren müssen.“
    „Zur Kenntnis genommen. Du erhältst deine Antwort, verspr o chen, aber erst möchte ich wissen, was zw i schen dir und deinen Eltern schief gela u fen ist.“
    Jérémie presste die Lippen aufei n ander und starrte ins Leere, fast so, als wäre er mit seine n Gedanken auf einmal an e i nem ganz anderen Ort in einer anderen Zeit .
    „Ich glaube , so ziemlich alles “ , s agte er schliesslich . Beth hatte aber das Gefühl, dass er noch nicht ganz von seiner kleinen Zei t r eise zurückg e kehrt war .
    „Glaubst du im E rnst, du kommst mir so einfach d a von?“
    „Ich habe es gehofft, meine Hoffnung scheint aber enttäuscht zu we r den.“
    „So ist es. Was ist passiert?“
    „In Ordnung. “ Jérémie trank noch einen grosszügigen Schluck aus seinem Pint. Als er das Glas wieder abset z te, begann er, den Blick auf die Tischplatte gerichtet, zu erzählen. „ Meine Mutter war eine streng gläubige Katholikin. Leider war ihre

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