Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
Maske.
Cara, die Maskenbildnerin, legte ihr einen Frisierumhang um, während Betts, die Friseurin, ihr das Haar ausbürstete. »Es ist zum Verzweifeln mit dir, Fran. Hast du gestern etwa mit deiner Skimütze geschlafen?«
Fran grinste. »Nein, aber ich hatte sie heute morgen auf. Ihr beide müßt also ein Wunder vollbringen.«
Während Cara Make-up auftrug und Betts den Lockenstab vorheizte, schloß Fran die Augen und überlegte sich
ihren Einleitungssatz. »Um sieben Uhr dreißig heute morgen öffneten sich die Türen des Niantic-Gefängnisses. Molly Carpenter Lasch kam zu Fuß heraus und hielt eine kurze, aber überraschende Ansprache.«
Cara und Betts arbeiteten mit atemberaubender Geschwindigkeit, und nur wenige Minuten später war Fran bereit für die Kamera.
»Ich erkenne mich kaum wieder«, stellte sie fest, als sie in den Spiegel sah. »Ihr habt es wie immer geschafft.«
»Das bist wirklich du, Fran. Das Problem ist nur, daß Haut und Haare bei dir zu wenig Kontrast haben und durch Akzente hervorgehoben werden müssen«, erklärte Cara geduldig.
Hervorgehoben werden, dachte Fran. Genau das habe ich immer zu vermeiden versucht. Immer bin ich aufgefallen. Die Kleinste im Kindergarten und in der Grundschule. Der Winzling. Erst in der Highschool hatte sie endlich einen Wachstumsschub gehabt und maß nun einen Meter zweiundsechzig.
Cara nahm ihr den Frisierumhang ab. »Du siehst spitze aus«, verkündete sie. »Du wirst sie alle umhauen.«
Tom Ryan, ein erfahrener Nachrichtensprecher, und Lee Manners, eine attraktive, fröhliche Frau, die früher für den Wetterbericht zuständig gewesen war, führten durch die Sechs-Uhr-Nachrichten. Als sie nach der Sendung ihre Mikrophone abnahmen und aufstanden, sagte Ryan: »Ihr Bericht über Molly Lasch war große Klasse, Fran.«
»Anruf für Sie, Fran, Leitung vier«, ertönte eine Stimme aus der Regie.
Zu Frans Erstaunen war Molly Lasch am Apparat. »Fran, ich habe dich doch schon heute morgen vor dem Gefängnis gesehen. Ich bin froh, daß du gekommen bist. Danke für deinen Bericht. Wenigstens du scheinst, was Garys Tod angeht, keine vorgefaßte Meinung zu haben.«
»Ich möchte dir sehr gerne glauben, Molly.« Fran bemerkte, daß sie sich unwillkürlich selbst die Daumen gedrückt hatte.
Mollys Tonfall wurde unschlüssig. »Ich habe mich gefragt, ob du Interesse daran hättest, wegen des Mordes an Gary zu recherchieren. Als Gegenleistung wäre ich einverstanden, daß du für deinen Sender eine Reportage über mich machst. Mein Anwalt erzählt, fast alle Fernsehstationen hätten angerufen, aber ich möchte lieber mit jemandem sprechen, den ich kenne und dem ich vertraue.«
»Natürlich bin ich interessiert, Molly«, erwiderte Fran. »Ich wollte mich deshalb sowieso bei dir melden.«
Sie verabredeten sich für den kommenden Vormittag in Mollys Haus in Greenwich. Nachdem Fran aufgelegt hatte, sah sie Tom Ryan mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Morgen habe ich Klassentreffen«, meinte sie. »Könnte sehr aufschlußreich werden.«
5
D ie Verwaltung des Remington-Gesundheitsdienstes befand sich auf dem Gelände der Lasch-Klinik in Greenwich. Dr. Peter Black, der Geschäftsführer, traf jeden Morgen um Punkt sieben im Büro ein, denn seiner Ansicht nach waren die zwei Stunden, bevor seine Mitarbeiter eintrudelten, die produktivsten des Tages.
An diesem Dienstag vormittag hatte Black den Fernsehsender NAF eingeschaltet, was er sonst nie tat.
Von seiner langjährigen Sekretärin wußte er, daß Fran Simmons vor kurzem bei NAF angefangen hatte, und sie hatte ihn auch an Frans Vergangenheit erinnert. Dennoch war Black überrascht, daß ausgerechnet Fran Simmons
über Mollys Haftentlassung berichtete. Nur wenige Wochen nach dem Selbstmord von Frans Vater hatte Black Gary Laschs Angebot angenommen, Teilhaber der Klinik zu werden. Monatelang hatte die ganze Stadt über den Simmons-Skandal gesprochen, und Black bezweifelte, daß einer der damaligen Bewohner die Angelegenheit vergessen hatte.
Peter Black sah sich die Sendung an, weil er neugierig auf die Witwe seines früheren Geschäftspartners war.
Da er ohnehin immer wieder den Kopf hob, um den Bericht ja nicht zu verpassen, legte er schließlich den Stift weg und nahm die Lesebrille ab. Black hatte dichtes, dunkelbraunes Haar, das an den Schläfen frühzeitig ergraut war, und große graue Augen. Neue Mitarbeiter ließen sich meist von seiner wohlwollenden Art täuschen – solange sie nicht den Fehler machten,
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