Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben
war nicht der einzige Leistungswillige, der kurz vor eins mit gepackter Sporttasche erwartungsfroh vor dem »Fit Inn Heldenbergen« stand.
Ich zog mich um, schnallte mir den Brustgurt um, füllte frisches Wasser in meine Trinkflasche und suchte mir den sympathischsten Crosstrainer raus. Ich fand ihn ganz rechts in einer Reihe von sechs oder sieben baugleichen Geräten. Dieser war deshalb so sympathisch, weil drei Meter vor ihm ein Flachbildmonitor hing, auf dem gerade die Übertragung des Formel- 1 -Qualifyings begann.
Ich wählte auf dem Display ein nicht zu anstrengendes Laufprogramm aus und stellte mich auf ein angenehmes Samstagmittag-Training ein.
Ich stand noch keine zwei Minuten auf dem Apparat, noch zierte kein einziges Tröpfchen Schweiß meine Stirn, als eine andere sportliche junge Frau an meine Seite trat. Sie war blond, ein Meter fünfundfünfzig in Muskeln, und sie lächelte mich freundlich an: Ihre Chefin hätte gesehen, dass ich im Studio bin. Sie hätten im Gruppenraum gerade ein ganz neues Workout aus Amerika. Ob ich nicht Lust hätte, mitzumachen?
Auf dem Monitor raste Sebastian Vettel gerade durch eine scharfe Links-Rechts-Kombination, und ich antwortete der Dame wahrheitsgemäß: »Nein.«
»Ooch, kommen Sie, das ist ein ganz neues Programm. Von David Kirsch, das ist der Personal Trainer von Heidi Klum und von den ganzen anderen Stars.«
»Nee, ist nicht nötig. Danke.«
»Ehrlich, das macht richtig Spaß!« Sie lächelte mich ein bisschen unsicher an, mit einem Blick, zu dem ich nicht Nein sagen konnte, also sagte ich statt Nein: »O.k.«
Ich schnappte mir mein Handtuch und meine Trinkflasche, warf einen letzten sehnsüchtigen Blick auf den dunkelblauen Boliden auf dem Monitor und folgte den anderthalb Metern Muskeln in den Workout-Raum.
In dem rechteckigen Saal waren zweiunddreißig Hessen versammelt, dreißig davon weiblich, die meisten machten einen verdammt gut trainierten Eindruck, plus zwei Männer, die beide die dreißig noch nicht überschritten hatten. Nun gesellte sich zu denen ein achtundvierzigjähriger übergewichtiger Westfale, der schon vorher wusste, dass das eine Scheißidee war, der aber dummerweise bei unsicher lächelnden Frauen schlecht Nein sagen kann.
Die Studio-Chefin hatte mit der Stunde schon begonnen, als wir den Raum betraten. Sie erklärte uns, was es mit dem völlig neuen Workout aus Amerika (chaka!) von David Kirsch (yeah!) auf sich hatte. »Es geht um die Balance aus Power und Speed. Kirsch hat Konditionselemente und Kraftelemente miteinander kombiniert. Aber das seht ihr am besten beim Workout, learning by doing. Der Appetit kommt beim Essen. Yeah! Nehmt euch erst mal alle eine Matte!«
Na ja, es fing sehr locker an. Marschieren auf der Stelle! Kann ich. Dabei ein bisschen mehr in die Knie gehen! Kann ich auch. Jetzt die Beine weiter auseinander! Kann ich nur noch mit Mühe. Und das Ganze zur Musik, in einem Höllenrhythmus. »Und die Knie schön hoch! Noch acht, noch sieben, noch sechs, noch fünf, noch vier, noch drei, noch zwei, noch eins, und ja, und wieder hochkommen, und jetzt doppelt so schnell, und wieder in die Knie, und die Beine auseinander …!«
Nach ungefähr fünf Minuten war ich komplett nass geschwitzt. Die Trainerin musste das geahnt haben, sie oder David Kirsch. Denn plötzlich sagte sie: »So, jetzt nimmt sich bitte jeder einen Gymnastikball.« Ich schnappte mir einen Ball mit sechzig Zentimeter Durchmesser, und ich genoss die Anweisung: »Legt die Knie auf den Ball, die Arme gestreckt auf den Boden, und jetzt atmet tief durch!«
Hinlegen, das kann ich. Tief durchatmen, kann ich sogar super!
»Und jetzt in den Liegestütz! Und eins, und zwei, und drei …!«
Es folgten Marschier- oder Laufeinheiten, meist in Sumo-Ringer-Haltung, mit angewinkelten Knien, die Beine auseinander. Das Marschieren wurde immer wieder unterbrochen durch Übungen mit dem Ball, auf dem Rücken, die Beine im Neunzig-Grad-Winkel, den Ball zwischen den Knien, und dann Crunches (oder Klappmesser, wie wir früher gesagt haben).
»Noch acht, noch sieben …!«
Es wechselten sich nicht nur Konditions- und Krafteinheiten ab. Es wechselten sich auch die Damen am Mikrofon ab. Mal war es die Club-Chefin, dann wieder die anderthalb Meter Muskeln.
Ich hatte niemanden auf der Ersatzbank sitzen. Also nahm ich mir ab und zu eine wohlverdiente Pause, um mein Handtuch aufzusuchen oder um einen Schluck aus der Pulle zu nehmen. Ich musste meinen Flüssigkeitshaushalt im
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