Wer anders liebt (German Edition)
alt.«
»Über den Wagen«, sagte Reinhardt, »habe ich mir so meine Gedanken gemacht. Es kann ein Granada gewesen sein.« Jetzt sah er Kristine triumphierend an, hier konnte sie nicht mitreden.
»Granada? Davon gibt es wohl nicht sehr viele, das müssen wir überprüfen. Was meinen Sie, Kristine?«, fragte Sejer.
»Hab keine Ahnung von Autos«, murmelte sie.
»Aber also, ein großer, weißer Personenwagen. Mit vier Türen?«
»Ja«, sagte Reinhardt.
»Und er hat Sie gesehen und ist weggefahren?«
»In einem Affenzahn«, sagte Reinhardt.
»So schnell war das nun auch wieder nicht«, widersprach Kristine.
Jetzt lächelte Skarre.
»Konnten Sie die Nummer sehen?«, fragte er hoffnungsvoll.
Beide schwiegen.
»Na gut«, sagte Sejer. »Aber Sie haben den Mann nicht erkannt, Sie hatten ihn nie zuvor gesehen?«
»Nein.«
Sejer überlegte eine Weile. Er verschob den Kugelschreiber von Tunis weiter zum südlichen Afrika.
»Ist Ihnen sonst auf dem Weg zwischen Schranke und Fundort noch etwas aufgefallen? Menschen, Geräusche, Stimmen?«
»Nichts«, antwortete Reinhardt. »Es war menschenleer und still. Im Linde-Wald ist es immer sehr still.«
»Deshalb gehen wir hin«, warf Kristine ein.
»Und auf der Hinfahrt, ehe Sie den Wagen abgestellt haben, ist Ihnen da jemand begegnet? Autos oder Fußgänger?«
Reinhardt musste überlegen.
»Ist uns jemand begegnet?«
Er sah Kristine an.
»Nein«, sagte sie. »Die Straße ist so schmal. Wenn uns ein Auto entgegengekommen wäre, hätten wir anhalten müssen.«
»Sie gehen oft dort oben spazieren? Ist das eine Tradition?«
»Jeden Sonntagnachmittag«, sagte Kristine. »Ungefähr zur selben Zeit. Bei jedem Wetter. Das ganze Jahr über.«
»Ist Ihnen dort oben früher schon einmal etwas aufgefallen?«
»Nein. Wie gesagt, es ist sehr still da, aber den einen oder anderen Beerensammler haben wir vielleicht gesehen. Und Skiläufer. Im Winter. Aber wissen Sie, von der Schranke aus muss man zu Fuß gehen, und das wollen die meisten nicht.«
»Dieser Mann«, sagte Sejer, »würden Sie ihn auf der Straße wieder erkennen?«
»Ja«, antwortete Kristine rasch.
»Warum sind Sie so sicher?«
Sie zögerte. »Er war eigenartig.«
Sejer spitzte die Ohren.
»In welcher Hinsicht?«
Sie dachte an das Gesicht, das sie für einige wenige Sekunden gesehen hatte.
»Ich will ja nicht herumphantasieren«, sagte sie, »aber er sah jemandem ähnlich.«
Sie fuhr sich nervös über den Mund.
»Und wem sah er ähnlich?«
Die Antwort war kaum zu hören.
»Hans Christian Andersen«, flüsterte sie.
Es wurde ganz still im Büro.
»Sie meinen den Dichter? Worin bestand denn die Ähnlichkeit mit Hans Christian Andersen?«
»Niedrige, schräge Stirn«, sagte sie. »Sehr große Nase und große Ohren. Geheimratsecken und im Nacken gelockte Haare.«
Reinhardt schaute sie skeptisch an, Skarre machte sich eifrig Notizen.
»Nehmen Sie das nicht zu ernst, was ich sage«, sagte Kristine. »Es sind nur Gedanken.«
Sejer erhob sich.
»Auch die sind wichtig. Und damit wären wir für heute fertig. Fahren Sie also nach Hause, und denken Sie nicht zuviel daran. Falls das möglich ist.«
»Sind wir fertig?«, fragte Reinhardt überrascht.
Sejer sah ihn geduldig an.
»Wenn Ihnen nichts mehr einfällt, was Ihnen wichtig erscheint«, sagte er. »Wenn ja, dann rufen Sie bitte an.«
Skarre brachte sie zur Tür. Da hatte Kristine das Gefühl, vom Blitz getroffen zu werden. Sie schlug die Hände vor den Mund und sah die beiden entsetzt an.
»Herrgott«, sagte sie.
»Was ist los?«, fragte Skarre.
»Verzeihen Sie«, sagte sie, »ich bin wohl nicht ganz ich selbst. Und das gilt auch für Reinhardt. Wir haben das Allerwichtigste vergessen, ich begreife nicht, wie das möglich war. Er hat gehinkt«, sagte sie eifrig.
»Ja, Scheiße«, rief Reinhardt.
»Oder nein«, sagte Kristine jetzt, »Gehinkt vielleicht nicht gerade. Aber er hatte einen ganz besonderen Gang, wie nach einer Verletzung.«
Skarre nickte. »Oder bei irgendeiner Behinderung?«
»Oder«, sagte Reinhardt, »es kann eine Prothese gewesen sein.«
7
»Wenn ich könnte, wie ich wollte«, sagte Sejer, »würde ich alle vorbestraften Pädophilen im Bezirk vernehmen. Vielleicht sogar alle, die aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden sind.«
»Die Juristen würden uns für eine solche Aktion aber niemals grünes Licht geben«, sagte Skarre.
»Dann fahren wir eben bei Rot«, sagte Sejer. »Wir fahren bei Rot und bezahlen das
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