Wer anders liebt (German Edition)

»So lange die Erwachsenen Fehler machen und so lange Eltern Übergriffe begehen, werden Übergreifer entstehen.«
    »Danke«, sagte sie leise.
    »Wofür danken Sie mir?«
    »Für alles.«
    »Entschuldigen Sie diese seltsame Formulierung«, sagte Sejer. »Aber es war schön, Sie und Jonas August kennenzulernen. Ich hätte nicht darauf verzichten mögen.«
    Sie gingen schweigend zum Auto zurück und stiegen ein. Als sie die Hauptstraße erreichten, sah sie ihn an, fragend.
    »Kann ich anrufen?«
    »Natürlich.«
    »Ich meine, wenn es schwer wird.«
    »Sie können jederzeit anrufen«, sagte er. »Wir kennen einander jetzt doch.«
    »Denn es gibt jetzt eine Verbindungslinie von mir zu Ihnen«, sagte sie, »und diese Linie muss ich immer offen halten.«
    Am Abend fing es an zu regnen.  
    Er blieb trotzdem im Park, wozu hätte er auch nach Hause gehen sollen, die Zimmer waren leer und kalt. Sie hatte ihn auf die feigeste Weise verlassen und hatte noch dazu alles genau geplant. Er spürte das dringende Bedürfnis, sich Geltung zu verschaffen, aber er biss die Zähne zusammen, er wollte nicht quengeln, das war nicht seine Art. Ein Netz aus schmalen asphaltierten Gehwegen führte durch den Park, er irrte umher, er hatte keinen Halt. Dann erreichte er eine Wegkreuzung. In der Mitte lag eine Rotunde mit einer schönen Skulptur, ein kleines Mädchen, sie war nackt. Er ließ sich auf eine Bank sinken, saß da und sah sie an, sie war im Sprung eingefangen, lachend und glücklich, mit ausgestreckten Armen. Er stellte sich vor, sie sei auf dem Weg zu ihm, könne jeden Moment in seine Arme laufen, aber als er versuchte, ihren Blick einzufangen, starrte sie blind an ihm vorbei. Der Regen rieselte über seinen Nacken, und seine Schuhe zogen Wasser, aber er blieb sitzen. Früher oder später würde sich für ihn alles zum Guten wenden. Zwischen den Bäumen würde ein kleines Mädchen auftauchen, gekleidet in einen roten Regenmantel, und er würde von der Bank aufstehen und strahlend lächeln.