Wer anders liebt (German Edition)
Andor.«
»Hast du deinen Sessel verstellt?«
»Ja, das habe ich gemacht.«
»Und? Hat das Ekzem sich gebessert?«
»Ja, jetzt wo du es erwähnst, es ist gar nicht so schlecht. Aber ansonsten war er mit seinen Visionen doch total auf dem Holzweg.«
»Eben nicht«, sagte Skarre. »Und das ist so seltsam, dass ich fast keine Worte finde. Denk doch nur daran, wie wir Edwin in diesem Erdloch gefunden haben. Ich habe Hasselbäck im Netz gesucht und diesen Ort in Schweden gefunden, in Västmanland. Aber ich habe auch in Erfahrung gebracht, dass Hasselbäck eine Sprungfedermatratze von IKEA ist.«
*
Sejer fuhr zum Linde-Wald hoch und hielt bei der Schranke.
Elfrid Løwe saß neben ihm, ihre Hände ruhten in ihrem Schoß.
»Hier hat er gehalten«, sagte Sejer. »Von hier an hat er Jonas getragen.«
Sie sah die rotweiße Schranke an.
»Hier ist ihm das Ehepaar begegnet, das ihn dann später wiedererkannt hat. Ohne diese Leute hätten wir ihn nie gefasst. Wollen wir aussteigen?«
Sie öffnete die Tür und stellte die Füße auf den Boden. Sejer ging um das Auto herum und nahm ihren Arm, sie nahm die Wärme der untergehenden Sonne wahr, und die Stärke des hochgewachsenen Mannes neben ihr.
»Brein ist ein armer Teufel«, sagte sie.
Sejer nickte. »Das wird wohl stimmen. Aber er hat sich im Gefängnis eingelebt, sagt, dass die Tage gut vergehen. Ich fragte, ob er an Jonas denkt. Ob er bereut. Er sagt, jede einzelne Stunde am Tag.«
»Glauben Sie ihm?«
»Nein.«
Sie gingen schweigend weiter. Sejer versuchte, seine Schritte ihrem kurzen Rhythmus anzupassen.
»Haben Sie Bilder gemacht?«, fragte sie.
»Ja, wir haben viele Bilder gemacht. Das müssen wir natürlich, das ist ein wichtiger Teil der Ermittlung.«
»Was wird daraus, wenn der Fall abgeschlossen ist?«
»Sie werden zusammen mit allen anderen Unterlagen archiviert. Kein Unbefugter hat Zugang dazu, wenn Sie das meinen sollten. Ich an Ihrer Stelle würde nicht um Einsicht bitten.«
»Ich habe ja gar nicht um Einsicht gebeten.«
Dann, mit sanfterer Stimme:
»Das Wetter war schön, nicht wahr? Wissen Sie noch, wie warm es war, wir hatten Sommertemperaturen.«
»Richtig.«
Sejer erinnerte sich. »Wir arbeiteten in Hemdsärmeln. Nach diesem Tag wurde es kühler, und dann war der Herbst da.«
Sie waren jetzt tiefer in den Wald hineingegangen. Sejer hielt Zweige zur Seite, und Elfrid zog den Kopf ein.
»Er hat sich die Stelle sorgfältig ausgesucht«, sagte Sejer. »Die Menschen sind komplex. Trotz des Entsetzlichen hat er versucht, etwas richtig zu machen. Jonas sollte nicht im Straßengraben gefunden werden.«
»Sie erwarten doch keine Dankbarkeit von mir, oder?«
»Nein«, er lächelte, »ich denke nur laut.«
Endlich sah er die Lichtung. Er erkannte die kleine Baumgruppe und den Holzstapel.
»Hier, Elfrid, hier war es«, sagte er.
Sie blieb stehen.
Schlug die Hand vor den Mund.
»Er lag auf dem Bauch, mit dem Gesicht nach unten«, sagte Sejer, »und den Armen zur Seite ausgestreckt.«
»Ohne Hose«, sagte sie.
»Ja. So war das.«
»Was haben Sie gedacht?«, fragte sie. »Was haben Sie gedacht, als Sie Jonas ohne Hose dort liegen sahen.«
»Ich habe mich gefragt, was ich Ihnen sagen sollte. Aber ich war auch sehr erleichtert. Er war so unversehrt und schön.«
Sie lächelte tapfer.
»Es ist schön hier«, sagte sie, »sehr schön.« Sie ging neben dem Holzstapel in die Hocke. Sejer blieb stehen und sah sich die Landschaft an, alle Gerüche des Waldes strömten durch die Luft.
»Er kommt zu billig davon«, sagte sie.
»Meinen Sie Brein?«
»Ja.«
»Welche Strafe hätte er denn Ihrer Meinung nach verdient? Was wäre für Sie und Jonas eine Genugtuung gewesen?«
»Nicht der Tod«, sagte sie rasch. »Das haben Sie doch wohl nicht geglaubt.«
»Keine Sekunde.«
»Nein«, sagte sie nachdenklich, »es würde mir nicht gefallen, wenn er zuviel Nahrung bekäme. Und ich rede nicht von Essen. Ich rede von allen anderen Formen von Nahrung, die, die Seele und Herz betreffen. Erlebnisse, Wärme und Freundlichkeit.«
»Etwas bekommt er sicher. Macht Ihnen das etwas aus?«
»Ja. Seine Tage sollen nicht gut sein.«
Sie schaute verzweifelt zu ihm auf.
»Was, wenn er gerade lacht«, sagte sie, »manchmal stelle ich mir vor, dass er lacht. Das ist unerträglich.«
»Aber er hat auch seine düsteren Stunden«, sagte Sejer. »Allein, in der Zelle. Und er kann nirgendwo hin.«
»Es gibt viele wie Brein«, sagte Elfrid.
»Ja«, sagte Sejer.
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