Wer Bist Du, Gott
»bestraft« mich mein Leib mit Krankheit. Natürlich dürfen wir nicht jede Krankheit als Strafe sehen.Aber das Bild des strafenden Gottes möchte uns aufmerksam machen, die Wirklichkeit ernst zu nehmen und nicht zu meinen, wir könnten sie nach eigenem Belieben zurechtrücken.
Wir erkennen es auch in größeren Zusammenhängen. Die Schöpfung rebelliert auf einen zu hohen Ausschuss von Treibhausgasen. Das Klima ändert sich. Wir sind heute hellhörig geworden, dass wir diese Welt nicht nach unseren Maßstäben behandeln dürfen, sondern uns nach ihr und ihren inneren Gesetzen richten müssen. Sonst bestrafen wir uns selbst.
Du sollst dir kein Bild von Gott machen
WUNIBALD MÜLLER: Eigentlich sollten wir uns kein Bild von Gott machen und doch sind wir auch darauf angewiesen oder müssen feststellen, dass wir nicht davon wegkommen. Manchmal können uns die Bilder, die andere
Menschen von Gott haben, aufrütteln, unsere eigenen Bilder durcheinanderbringen. Das kann schmerzvoll, aber auch heilsam sein und uns ein klein wenig näher an ein Erahnen, ein Erspüren Gottes bringen.
Letztlich müssen oder müssten wir uns aber zugestehen, dass alle Bilder, die wir uns von Gott schaffen, und auch die großen Bilder, die Künstler von Gott geschaffen haben, nicht mehr sind als ein kläglicher Versuch, etwas von der Unermesslichkeit und Unsagbarkeit Gottes anzudeuten. Das sollten wir nie vergessen.
ANSELM GRÜN: Ich kenne auch Zeiten, in denen ich vertraut mit Gott bin. Doch dann spüre ich auch oft die Gefahr, dass ich mich einrichte mit meinem Gott, dass ich mir meine Bilder von Gott zurechtlege, die mich beruhigen und meinen spirituellen Weg bestätigen.
Dann brauche ich entweder solche Bilder wie das »Jüngste Gericht« von Michelangelo oder aber Texte wie die von Wolfgang Borchert, etwa »Draußen vor der Tür«, um mich innerlich aufzurütteln und mir zu zeigen, dass Gott nicht einfach in der Rechnung meines Lebens aufgeht, sondern dass er der ganz andere Gott ist, der fremde Gott, den ich nicht verstehe, der auch dunkle Seiten hat, unverständliche Seiten. Der Dialog mit der Kunst ist daher für mich wichtig, um meinen Glauben immer wieder aufzubrechen für neue und unbegreifliche Seiten Gottes. Ich kenne die Gefahr, Gott in die eigenen Bilder zu zwängen.
TEIL II
Jahr der Gnade 1654. Montag, den 23. November... Seit
ungefähr zehneinhalb Uhr am Abend bis ungefähr eine
halbe Stunde nach Mitternacht. Feuer. »Gott Abrahams,
Gott Isaaks, Gott Jakobs«, nicht der Philosophen und
Gelehrten. Gewissheit, Gewissheit, Empfinden: Freude.
Friede. Gott Jesu Christi. Deum meum et Deum vestrum.
»Dein Gott soll mein Gott sein.« Vergessen von der Welt
und von allem, ausgenommen Gott. Er wird nur auf den
Wegen gefunden, die das Evangelium lehrt. Größe der
menschlichen Seele... Freude, Freude, Freude und Tränen
der Freude... Dies ist das ewige Leben, dass ich Dich
erkenne, den einzigen, wahren Gott.
Blaise Pascal, Mémorial
GOTT UND JESUS
In Jesus bekommt der unfassbare Gott ein menschliches Gesicht
ANSELM GRÜN: Für mich ist es eine wesentliche Frage, wie wir heute Gott und Jesus zusammenbringen. Dabei geht es mir nicht um dogmatische Belehrungen, sondern existenziell um die Frage, wie ich Jesus und Gott verbinden kann. Viele Menschen, die heute in asiatischen Religionen spirituell suchen, sind offen für Gott, für das absolute Geheimnis, das wir Gott nennen. Aber sobald ich von Jesus spreche, reagieren sie allergisch. Sie können Jesus höchstens noch als religiös begabten Menschen verstehen, der wie Buddha oder Mohammed tiefe spirituelle Erfahrungen gemacht hat.
Doch wenn ich von Jesus als dem Sohn Gottes spreche, reagieren sie abweisend. Und doch ist Jesus, der Sohn Gottes, die Grundlage unseres Glaubens. Natürlich kenne ich die Diskussion, dass die Bezeichnung »Sohn Gottes« im Judentum ein Beziehungsbegriff ist. Wer besonders eng mit Gott verbunden ist, der ist Sohn Gottes, so etwa König David.
Aber die griechische Deutung dieses Wortes, die für die frühe Kirche maßgebend wurde, hat den Begriff »Sohn Gottes« seinsmäßig ausgelegt: Jesus ist Sohn Gottes, von Gott gezeugt. Schon Johannes hat Jesus als das Wort bezeichnet, das im Anfang bei Gott war. »Und das Wort war Gott« (Joh 1,1).
Für mich ist die Theologie Karl Rahners maßgebend, der von Jesus als der absoluten Selbstmitteilung Gottes spricht. Gott hat sich in Jesus auf absolute Weise uns Menschen mitgeteilt, anders als in den
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