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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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nach ihr gesucht habe. Und an dem Abend – Vielleicht lag es daran, dass die Begegnung mit Joe die ganzen Erinnerungen in mir geweckt hatte, aber ich glaubte sie ganz kurz gesehen zu haben, dort im White Stag, hinten am anderen Ende des Raums. Es war während des zweiten Sets. Dann ist sie in der Menschenmenge verschwunden. Ich dachte, ich hätte es mir nur eingebildet …«
    Kincaid bemerkte sein Zögern. »Bis –?«
    »Bis Sonntagabend. Als ich mit Melody im 12 Bar war. Sie sah natürlich anders aus, und es war nur ein kurzer Moment, als sie sich auf der Treppe umdrehte. Aber es war Nadine.«

20
    Die zwei hohen Wassertürme standen noch, wurden aber bald danach ebenfalls abgerissen.
    Betty Carew, www.helium.com
    »Was ist mit Mrs Drake passiert?«, fragte Gemma Wayne Carstairs. Sie musste der Versuchung widerstehen, sich Luft zuzufächeln, denn es war warm im Büro des Direktors, und während er ein langärmeliges marineblaues Polohemd mit dem Wappen der Schule auf der Brust trug, hatten sie und Melody noch ihre Mäntel an.
    »Der Direktor hat sie ohne Referenzen entlassen.« Carstairs lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schüttelte den Kopf. »Es war grausam. Eine solche Maßnahme machte es ihr nicht nur unmöglich, an einer anderen Privatschule unterzukommen – auch an der bescheidensten Gesamtschule hätte sie damit keine Chance mehr gehabt.«
    »Sie haben das also nicht gutgeheißen?«
    »Nein, allerdings nicht. Aber Joe Petersons Vater Gary saß im Beirat der Schule, und er ließ andere gerne seine Macht spüren.«
    »Joe Peterson? Das war der Name des Jungen, um den es ging?«
    Carstairs nickte. »Ein richtiger kleiner Kriecher, dieser Joe. Von seinem Vater und von Shaun Francis tyrannisiert – ich habe immer gedacht, dass vielleicht gerade das diese höchst ungewöhnliche Beziehung zwischen den beiden Jungen gefestigt hat. Joe hatte sich schon von Haus aus mit der Rolle des Speichelleckers angefreundet.«
    Melody war dem Gespräch mit gerunzelter Stirn gefolgt. »Ist Peterson zur Polizei gegangen?«
    »Ja. Aber nachdem sie die Jungen und Mrs Drake vernommen hatte, und auch einige andere Mitglieder des Kollegiums, verzichtete die Polizei darauf, Strafantrag zu stellen. Ich weiß noch, dass der ermittelnde Beamte sehr präzise Fragen gestellt hat, und er ist sicher genauso wenig auf die Geschichte reingefallen wie ich. Aber Peterson hat getobt. Er hat einen Prozessanwalt aus der City angeheuert, um eine Zivilklage gegen die arme Frau anzustrengen, mit der Begründung, sie habe seinen Sohn ›schwer traumatisiert‹. Offenbar gab es gewisse Zweifel an der Art, wie ihr Mann zu Tode gekommen war, auch wenn nie Anklage erhoben wurde, und ich bin sicher, dass Peterson glaubte, das in einem Zivilprozess benutzen zu können, um sie anzuschwärzen.«
    »Welchen Vorteil konnte er sich denn davon erhoffen?«, fragte Gemma.
    »Sicherlich keinen finanziellen. Ich glaube, sie war damals völlig mittellos. Aber Peterson hatte Geld im Überfluss, und wie Shaun Francis war er sehr nachtragend. Ich erinnere mich noch, wie er sich einmal beim Sportfest der Schule an Mrs Drake herangemacht hat. Sie wirkte so in die Enge getrieben, dass meine Frau ihr zu Hilfe geeilt ist. Ich habe mich immer gefragt, ob er wohl … versucht hatte, bei ihr zu landen, und einen Korb bekommen hatte. Jedenfalls hat er seinem Sohn ganz bestimmt keinen Gefallen getan, indem er die Sache weiter verfolgte. Shaun Francis ließ Joe nach der ganzen Affäre fallen, offenbar, weil er ihn als schädlich für sein Image betrachtete, und die ganze Schule folgte seinem Beispiel. Joe Peterson blieb nicht einmal mehr bis zum Ende des Schuljahres. Ich weiß nicht, was später aus ihm geworden ist.«
    »Und Mrs Drake?«
    Carstairs presste die Lippen aufeinander. »Ich weiß es nicht. Sie kam einfach eines Tages nicht mehr zum Unterricht. Ich – Wir alle im Kollegium bekamen nie die Gelegenheit, ihr zu sagen, wie leid es uns tat, sie zu verlieren.«
    »Haben Sie je etwas über den Ausgang der Zivilklage gehört?«
    »Nein. Ich vermute allerdings, dass Peterson, wenn der Prozess zu seinen Gunsten ausgegangen wäre, sich beim Elternabend damit gebrüstet hätte.«
    Ein dumpfes Grollen erhob sich draußen auf den Fluren – das Getrappel vieler Füße auf Hartholzböden und das anschwellende Geplapper von Kinderstimmen. Die Mittagspause hatte begonnen.
    Der Direktor sah auf die Uhr auf seinem Schreibtisch. »Ich fürchte, die Pflicht ruft – ich habe Aufsicht

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