Wer Blut vergießt
waren uns gegenüber nicht ganz aufrichtig.«
Hart rollte seinen Stuhl vom Mischpult zurück und betrachtete sie mit einem Blick, der mäßiges Interesse zu bekunden schien. »Ich glaube nicht, dass ich mit Ihnen über diesen … Arnott gesprochen habe.«
»Sie haben uns nicht die ganze Wahrheit gesagt.« Melody riss sich vom Anblick des scheinbar unüberschaubaren Durcheinanders von Reglern, Knöpfen und blinkenden Lichtern auf dem Mischpult los. »Als ich am Samstag mit Ihnen, Tam und Andy gesprochen habe, vergaßen Sie zu erwähnen, dass Sie ihn kannten.«
»Sie haben mich nicht direkt gefragt, wenn ich mich recht erinnere. Es ging Ihnen um einen Vorfall dort im Pub. Ich war nicht dort.«
»Hören Sie auf, uns etwas vorzumachen, Mr Hart.« Gemmas Ton machte deutlich, dass sie allmählich die Geduld verlor. »Wir wissen, dass Sie Vincent Arnott nicht nur kannten, sondern dass Sie auch sehr gute Gründe hatten, ihn nicht zu mögen, ja ihn zu hassen. Vielleicht sogar seinen Tod zu wünschen.«
Hart sah sie nur an, jeder Zoll der weltgewandte Produzent, mit seinem gepflegten Bart, der randlosen Brille und dem Rollkragenpulli.
Es war warm in dem kleinen Raum. Das einzige Fenster ging nach innen zur Aufnahmekabine. »Nun gut«, sagte Gemma, die in ihrem Mantel schon zu schwitzen begann, »lassen Sie uns Ihnen eine kleine Geschichte erzählen. Melody, ich glaube, du hast die Details?«
Melody tat so, als läse sie aus ihrem fast leeren Notizbuch ab. »Vor zehn Jahren hatten Sie auch schon einmal eine vielversprechende junge Sängerin unter Vertrag. Sie wurde zusammen mit Ihnen festgenommen; man legte Ihnen den Besitz illegaler Drogen zur Last. Sie selbst kamen relativ glimpflich davon, und obwohl die junge Frau nur eine Bewährungsstrafe erhielt, war die Art, wie der Anklagevertreter mit ihr umsprang, geradezu brutal. Die Presse stürzte sich auf den Fall, und ihr Ruf war ruiniert. Noch im selben Jahr beging sie Selbstmord. War es eine Überdosis Drogen, Mr Hart?«
Hart war kreidebleich geworden. Sein Gesicht schien frei über dem dunklen Rollkragen seines Pullovers zu schweben. »Sie wissen ja gar nichts über diese Sache. Und ihr Name war Lauren.«
»Machten Sie Vincent Arnott verantwortlich für das, was mit Lauren passiert war, Mr Hart?«, fragte Gemma.
»Nein. Er war ein Mistkerl, und die Art, wie er mit ihr umsprang, war unnötig grausam. Aber der Einzige, den ich für Laurens Schicksal verantwortlich machte, war ich selbst. Ich hatte sie mit Leuten zusammengebracht, für die Drogen und Alkohol zum Alltag gehörten. So ist die Branche nun mal. Sie wissen, wie das ist.«
»Und dass Sie dann zum Abstinenzler wurden, war Ihre Art der Wiedergutmachung?«, fragte Melody.
»Was mit Lauren passiert ist, kann ich nie im Leben wiedergutmachen. Dass ich mit dem Trinken aufgehört habe, war reine Selbsterhaltung. Ich wusste, entweder ziehe ich die Notbremse, oder ich gehe drauf.«
Melody fragte sich, ob sie nun endlich den wahren Caleb Hart sahen oder nur eine weitere Maske eines Meisters der Selbstdarstellung. »Und jetzt haben sie eine andere junge Sängerin unter Vertrag – Poppy. Ziemlich genau in Laurens Alter, nicht wahr? Steht kurz vor dem großen Durchbruch. Und sie ist die Tochter eines Pfarrers, ja? Weiß sie von Lauren? Wissen ihre Eltern davon? Ich bezweifle, dass sie die Karriere ihrer Tochter in Ihre Hände legen würden, wenn sie es wüssten.«
Hochrote Flecken erschienen auf Harts Wangen. »Aber selbstverständlich wissen sie davon! Poppys Vater Tom war mein bester Freund an der Universität. Es waren Tom und seine Familie, die mir geholfen haben, trocken zu werden. Ich verdanke ihnen alles, und sie wissen, dass ich immer auf Poppy achtgeben werde, als wäre sie meine eigene Tochter.
Deswegen wollte ich Andy Monahan zuerst sehen, ehe ich die beiden zusammenbrachte. Tam hatte mir versichert, dass er nicht trinkt und keine Drogen nimmt, aber ich bekomme ein Gefühl für einen Menschen, wenn ich ihn spielen sehe. Ich hatte den Eindruck, dass er wirklich in Ordnung ist, aber jetzt ist er offenbar in einen Mord verwickelt.« Harts Lachen war sarkastisch. »Ich würde das ganze Projekt hinschmeißen, wenn die zwei zusammen nicht so verdammt gut wären. Im Musikgeschäft bekommen Sie so eine Chance allenfalls ein oder zwei Mal im Leben, wenn Sie sehr viel Glück haben.«
»Sie wollen uns also sagen, dass Sie ein sehr großes Interesse daran hatten, dass nichts – und niemand – Ihnen diese Chance
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