Wer Blut vergießt
’n’ Roll, wenn nicht mehr –, und Arnott war offenbar als Anklagevertreter ein ganz scharfer Hund. Er zog den Namen des Mädchens in den Dreck. Offenbar kam sie entweder mit den Drogen nicht zurecht oder mit der negativen Presseberichterstattung: Zehn Monate nach dem Prozess beging sie Selbstmord. Hart schwor daraufhin ganz öffentlich dem Alkohol ab und ist seither trocken.«
»Verdammt«, sagte Melody.
Gemma, die sie gebannt beobachtete, zischte: »Was gibt’s?«
»Hast du zufällig seine Privatadresse da?«, fragte Melody Doug und wehrte Gemmas Frage mit einem Kopfschütteln ab, während sie in ihrer Tasche nach Block und Stift kramte.
»Es ist im Norden von Dulwich. Praktisch schon Crystal Palace.« Doug las ihr die Adresse vor, und sie schrieb sie auf.
»Danke. Du warst echt super.«
»Aber?«, fragte Doug, der ihre Intonation nur zu gut kannte.
»Du könntest noch etwas für mich tun, wenn du nicht zu beschäftigt bist.«
»Ha, ha, sehr witzig. Was brauchst du denn?«
»Arnott war vor etwa fünfzehn Jahren an einem Zivilprozess beteiligt. Der Kläger war ein gewisser Gary Peterson, die Beklagte hieß Nadine Drake. Würdest du mal sehen, was du über die beiden ausgraben kannst?«
»Stets zu Diensten.« Doug legte auf.
Melody drehte sich zu Gemma um. »Caleb Hart hat nicht nur ein sehr wackliges Alibi für Freitagabend. Er hatte anscheinend auch sehr gute Gründe, Vincent Arnott zu hassen.«
»Ich würde gerne ohne Vorwarnung mit ihm reden«, sagte Gemma, als Melody ihr berichtete, was sie von Doug erfahren hatte. »Wir sind nicht allzu weit von seiner Wohnung entfernt, obwohl ich nicht weiß, wie wahrscheinlich es ist, dass wir ihn um diese Tageszeit zu Hause antreffen. Aber er war nicht in seinem Büro, als ich gestern Mittag dort war, also ist es wohl nicht ausgeschlossen.«
Melody rief auf ihrem Handy einen Stadtplan auf und studierte ihn. Einer spontanen Eingebung folgend sagte sie: »Wir sind eigentlich nur einen Katzensprung vom Plattenstudio entfernt. Warum versuchen wir es nicht zuerst dort? Und wenn er nicht da ist, könnten wir im White Stag etwas Kleines essen und noch mal mit dem Barkeeper reden, diesem Reg.«
»Es ist einen Versuch wert.« Gemma startete den Wagen und legte den Gang ein, und schon nach wenigen Minuten hatten sie die Westow Street erreicht. »Und jetzt?«, fragte sie.
»Hier musst du rechts abbiegen.« Melody wies auf eine kleine Seitenstraße.
»Verdammt«, murmelte Gemma, als sie die steil abfallende, gepflasterte Gasse hinunterfuhren. »Das möchte ich bei Glatteis lieber nicht versuchen. – Hier ist doch gar nichts«, fügte sie hinzu und spähte durch die Windschutzscheibe.
»Du musst unten scharf links einschlagen.«
Gemma folgte Melodys Instruktionen und lächelte, als sie das Wandgemälde sah. Sie stellte den Escort hinter einem funkelnagelneuen schwarzen Jaguar XF ab. »Findest du nicht, dass das nach dem fahrbaren Untersatz eines Plattenproduzenten aussieht? Vielleicht haben wir ja Glück.«
Sie stiegen aus, und Melody blieb einen Moment stehen, um zu lauschen. Von oben war keine Musik zu hören. »Das Aufnahmestudio ist im ersten Obergeschoss, glaube ich, unter den Proberäumen.« Sie führte Gemma die schwindelerregend offene Metalltreppe hinauf. Die Erinnerung an den Samstag, als sie Andy zum ersten Mal gesehen hatte, stand ihr lebhaft vor Augen. War sie in ihrer augenblicklichen Vernarrtheit so blind gewesen, dass es ihre Arbeit beeinträchtigt hatte? Sie hätten schon viel früher auf Caleb Hart kommen können.
Auf dem ersten Treppenabsatz blieben sie stehen. Der Wind zerrte an ihren Haaren und Mänteln, und als Melody die Tür öffnete, wehte der Luftzug sie fast in den winzigen Vorraum.
Er war leer. Sie hielten einen Moment inne, um Atem zu schöpfen. Hinter der geschlossenen Tür zum nächsten Raum war ein schrilles elektronisches Pfeifen zu hören. Melody strich sich automatisch die Haare glatt, ehe sie pro forma kurz anklopfte und sogleich die Tür öffnete.
Caleb Hart saß mit Kopfhörern auf den Ohren am Mischpult. Er blickte auf und wirkte im ersten Moment erschrocken, ehe er Melody das unverbindliche Lächeln schenkte, das sie schon am Samstag kennengelernt hatte, und die Kopfhörer absetzte.
»Detective Sergeant Talbot, nicht wahr? Ich habe Sie nicht hereinkommen hören.«
Gemma zeigte ihm ihren Dienstausweis. »Ich bin Detective Inspector James, Mr Hart. Wir möchten mit Ihnen über Vincent Arnott sprechen. Ich glaube, Sie
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