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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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erzählt, wo er in Crystal Palace gewohnt hatte, aber sie hatte Nadines alte Adresse in den Akten gesehen, die sie gestern Abend bei Doug durchforstet hatte, und sie hatte sie im Stadtplan nachgeschlagen.
    Woodland Road.
    Aber wenn sie richtiglagen, dann war es nicht Nadine, von der die Gefahr ausging.
    Nadine stand am oberen Ende der Woodland Road. Sie glaubte gesehen zu haben, wie Andy um die Ecke bog, doch als sie dort ankam, war er verschwunden. Wohin hätte er gehen sollen, wenn nicht in die Wohnung?
    Aber wieso? Er wohnte doch sicher nicht mehr dort, nach so vielen Jahren? Sie hätte nie geglaubt, dass sie noch einmal hierherkommen würde, und sie hätte sich die Straße nie in einem solchen Wetter vorstellen können. Sie war im Frühling eingezogen und im Herbst ausgezogen.
    Angestrengt spähte sie durch die wirbelnden Flocken, und sie zögerte. Sie wollte nicht hinuntergehen, wollte das Haus nicht wieder sehen. Wollte sich nicht erinnern.
    Die Straßenlaternen gingen an, gelbe Lichtkreise, wie schwebende Trittsteine, die ihr den Weg wiesen. Sie war so weit gekommen, um mit Andy zu sprechen – sie durfte jetzt nicht mehr umkehren. Langsam einen Fuß vor den anderen setzend ging sie die Straße hinunter.
    Die Stiefel mit den dünnen Sohlen, die sie gestern für die Arbeit im Geschäft angezogen hatte, waren schon durchweicht und gaben ihr auf dem vereisten Gehsteig keinen Halt.
    Noch ein paar letzte schlitternde Schritte, und sie stand vor den Häusern und starrte die Stufen an, auf denen sie und Andy so oft in der Spätnachmittagssonne gesessen hatten.
    Aber irgendetwas stimmte nicht. Andy konnte nicht mehr hier wohnen – sein altes Haus stand offensichtlich leer und wurde gerade renoviert. Die vorderen Fenster waren lose mit Brettern vernagelt, und sie hatte den Eindruck, dass die Haustür nicht ganz geschlossen war.
    Hatte sie sich geirrt? War er an der Abzweigung geradeaus weitergegangen? Oder noch weiter die Straße hinunter?
    Fröstelnd stand sie da, innerlich hin- und hergerissen. Die Minuten schienen so träge dahinzufließen wie das Blut in ihrem durchgefrorenen Körper.
    Dann sah sie ein flackerndes Licht in der Lücke zwischen den Brettern, die die Fenster bedeckten. Nicht gelb – orange. Das Licht tanzte, wurde heller.
    Schlagartig aus ihrer Trance gerissen rannte sie über die Straße, geriet ins Rutschen, stieß gegen den Müllcontainer und hielt sich im letzten Moment daran fest. Keuchend stand sie da und versuchte die Geräusche zu identifizieren, die aus dem Haus kamen. Waren das Stimmen, oder hörte sie das Prasseln von Feuer?
    Die vereisten Stufen zu erklimmen glich einer Everest-Besteigung, doch indem sie sich ans Geländer klammerte, schaffte sie es schließlich und stieß die Tür auf.
    Joe kam als Erster wieder zu sich. Er schaffte es, aufzuspringen und sich zwischen Andy und die Tür zu stellen, während Andy, benommen von dem Schlag auf den Kopf, sich noch mühte, auf die Füße zu kommen.
    Sobald er stand, versuchte er die Flammen auf dem Boden auszutreten. »Wir müssen hier raus!«, wollte er schreien, doch es kam nur ein Krächzen heraus.
    »Was denn? Fürchtest dich vor dem bisschen Feuer?« Joe wippte auf den Fußballen, und ein Verlängerungskabel, das in dem ganzen Bauschutt gelegen hatte, spannte sich plötzlich zwischen seinen Händen.
    »Du bist wahnsinnig!«, rief Andy. »Du bist total übergeschnappt!« Vergeblich schlug er mit Joes Schal, der auf den Boden gefallen war, nach den Flammen, doch die Fransen am Ende zischten und knisterten, als das Feuer sie erfasste. Andy ließ den Schal fallen, und selbst von dieser kleinen Anstrengung drehte sich sein Kopf. »Lass mich raus. Die ganze Bude wird abbrennen.«
    Doch als er auf die Tür zuging, hob Joe das Kabel. »Vergiss es. Kannst ja versuchen, an mir vorbeizukommen.«
    In diesem Moment ging die Tür auf.
    Sie stand da, nur eine dunkle Silhouette, umrahmt vom weiß schimmernden Schneegestöber, doch inzwischen hätte er sie überall erkannt.
    »Andy? Mein Gott, das Feuer – Andy, bist du verletzt?«
    Nadine ging auf ihn zu, doch Joe, den die geöffnete Tür vor ihren Blicken verborgen hatte, stürzte sich von hinten auf sie, schlang ihr das Kabel um den Hals und zog es im Nacken zusammen.
    Sie rang nach Luft und wand sich, doch als Joe zischte: »Nicht bewegen!«, verharrte sie reglos.
    »Lass sie los!« Andys Blick ging zu den Flammen, die sich wie lodernde Rinnsale über das am Boden verstreute Sägemehl ausbreiteten.

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