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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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wusste, ob mit Nadine alles in Ordnung war.
    Rutschend und schlitternd ging er die Woodland Road hinunter und knallte mehr als einmal mit seinem Gitarrenkasten auf das Pflaster. Er hatte es stets vermieden, diesen Weg zu nehmen, auch als der Gig im White Stag und die Aufnahmesessions ihn nach Crystal Palace zurückgeführt hatten, und nun war er schockiert vom Anblick des Hauses.
    Ein Müllcontainer stand davor auf dem Gehsteig, und die Fenster waren zum Teil mit Brettern vernagelt. Offenbar wurde das Haus gerade renoviert. Er empfand es wie eine persönliche Beleidigung.
    Das Haus nebenan, in dem Nadine gewohnt hatte, sah frisch gestrichen und gut gepflegt aus. Als er ein paar Schritte näher trat, sah er, dass die Tür zu seinem ehemaligen Zuhause einen Spalt offen stand. Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend stieg er die Stufen hinauf, auf denen er so viele Stunden verbracht hatte, und trat ein.
    Im Halbdunkel des Hauses hatte er Mühe, sich zu orientieren. Überall lagen Bauholz und Werkzeug umher, zum Teil auf einer Werkbank nahe der rechten Wohnzimmerwand. Die Wand zwischen Wohnzimmer und Küche war herausgerissen worden. Und dort, nahe der Werkbank, flackerte ein Feuer. Jemand hatte einen tragbaren Gasofen eingeschaltet, den die Bauarbeiter zurückgelassen hatten.
    »Nadine?«, sagte er leise. Der Raum schien seine Worte zu verschlucken, und seine Nackenhaare stellten sich auf.
    Eine Gestalt tauchte hinter den Kisten auf, die sich neben dem Heizofen stapelten. »Nein, tut mir leid, Kumpel. Ich wusste, dass du kommen würdest, aber mir ist ein bisschen kalt geworden, während ich auf dich gewartet habe, also hab ich uns ein Feuerchen gemacht.«
    »Joe? Was zum Teufel tust du denn hier? Wo ist Nadine?« Andy stellte die Strat ab; er hatte plötzlich das Gefühl, dass er die Hände frei haben sollte.
    »Oh, ich wusste, dass du auf den alten Trick reinfallen würdest.« Joe kicherte. Es war dasselbe Lachen, das Andy von damals in Erinnerung hatte, und ihm wurde ganz übel. »Ich habe keine Ahnung, wo deine heißgeliebte Mrs Drake steckt«, sagte Joe. »Aber ich weiß, was sie letzten Freitagabend in diesem Hotel getan hat, und ich weiß, dass sie wegen dreifachen Mordes in den Knast wandern wird.«
    »Du lügst. Du hat immer schon gelogen. Nadine würde nie jemandem etwas zuleide tun.«
    Joe wickelte den blau-roten Crystal-Palace-Schal von seinem Hals ab. »Nein?«, sagte er, während er den Stoff durch seine Finger gleiten ließ. »Du bist so was von naiv. Aber es ist doch eigentlich ganz egal, was du glaubst, oder, Andy-Boy? Hauptsache, die Polizei glaubt, dass sie es war.«
    Der Schock stand Andy wohl ins Gesicht geschrieben, denn Joe lachte wieder. »Oh, die Polizei hat dich auch gewarnt, stimmt’s? Das ist ja wirklich zum Schreien komisch.«
    »Wovon redest du?«
    »Na, weil sie jetzt glauben werden, dass sie auch dich umgebracht hat. Wenn sie sie finden – und sie werden sie finden –, dann sieht es wohl ziemlich düster aus für sie. Und damit seid ihr dann allesamt erledigt.«
    »Du bist …« Andys Zunge schien an seinem Gaumen zu kleben. »… verrückt«, brachte er mit Mühe hervor.
    »Das sieht nur so aus, glaub’s mir.« Joe legte den Kopf schief. »Du wolltest nichts mit mir zu tun haben, stimmt’s? Hast du gedacht, ich würde vergessen, was du mir angetan hast? Was ihr alle mir angetan habt? Niemand wollte mehr mit mir reden, nicht mal Shaun. Ich musste damals noch vor dem Ende des Jahres von der Schule runter. Sie haben einfach nicht aufgehört mit ihrem Getuschel – ich wär schuld an dem, ›was mit der armen Mrs Drake passiert ist‹. Und mein Vater, der – der …« Joes Züge verkrampften sich, als ob irgendein geheimer Schmerz ihn quälte.
    Andy trat einen Schritt näher. »Hör zu, Joe, was immer du getan hast, es gibt sicher eine Möglichkeit …«
    »Was immer ich getan habe? Oh, ich habe doch noch fast nichts getan. Wart erst mal ab, bis sie die Schlampe festnehmen.« Wieder neigte er den Kopf zur Seite und sah Andy mit nachdenklicher Miene an. »Aber ich will, dass sie zuerst dich finden. Vielleicht sollte ich mal anrufen, anonym natürlich. Was meinst du, Andy?«
    Andy spannte sich an, jeder Muskel in seinem Körper auf Flucht oder Kampf programmiert. »Ich …«
    Aber er hatte zu lange gezögert.
    Plötzlich war da ein Kantholz in Joes Händen. Ehe Andy sich von der Stelle rühren konnte, holte Joe aus, schlug zu und erwischte Andy an der Stirn.
    Andy taumelte benommen,

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