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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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dann schüttelte er den Kopf und fragte sich, wie er auf dem Boden gelandet war. Das Zimmer verschwamm vor seinen Augen. Etwas Feuchtes rann ihm ins Auge, als er sich aufzusetzen versuchte.
    Dann war Joe auf ihm, rammte Andys Kopf krachend auf die blanken Bodendielen. Etwas Weiches, Kratziges wurde um seinen Hals gewickelt und zugezogen.
    Der Schal. In Panik griff Andy danach, versuchte die Finger zwischen den Stoff und seine Haut zu bekommen. Joes Gewicht drückte ihn zu Boden, und über sich sah er Joes verzerrtes Gesicht, hörte ihn vor Anstrengung schnaufen und ächzen, als er den Schal in den Händen drehte.
    Schwarze Punkte begannen vor Andys Augen zu tanzen. Er durfte nicht zulassen, dass er das Bewusstsein verlor. Er ließ den Schal los, packte Joes Schultern und stieß ihn mit aller Kraft von sich.
    Joe fiel zur Seite, rollte über den Boden und stieß gegen den Gasofen.
    Der Ofen wackelte und kippte mit lautem Scheppern um. Die Flammen loderten zischend auf und begannen über den Boden zu züngeln.
    Durch einen Schleier aus Blut sah Andy den Alptraum seiner Kindheit Wirklichkeit werden.
    »Ich komme mit dem Auto sicher nicht die Seitenstraße runter.« Melodys Clio war den Gipsy Hill hinauf mehr gerutscht und geschlingert als gefahren, bis sie die ebene Fläche des Triangle erreicht hatten und um das Straßendreieck herum bis zur Westow Street gefahren waren. Nachdem es zu schneien begonnen hatte, waren die Sichtverhältnisse so miserabel, dass sie fast die Abzweigung verpasst hätte. »Und einen Parkplatz finde ich hier auch weit und breit nicht.« Sie hätte schreien können vor Ungeduld.
    »Ich bleibe im Auto.« Gemma schnallte sich bereits ab. »Du gehst runter und schaust nach, ob Andy dort ist. Aber brich dir nicht den Hals.«
    »Ich werde mir Mühe geben«, antwortete Melody mit gezwungenem Lächeln und stieg aus. Ganz vorsichtig ging sie die gepflasterte Gasse hinunter und war froh, dass sie die Stiefel und die warmen Klamotten angezogen hatte. Nur die Mütze hatte sie vergessen. Rasch wischte sie die Schneeflocken weg, die in ihren Haaren hängen blieben.
    Als sie am unteren Ende der Gasse ankam, sah sie ein leuchtend orangefarbenes Etwas aus der Richtung des Studios auf sich zukommen. Sie kniff die Augen zusammen, um im Schneegestöber etwas zu sehen, und erkannte Poppy, die eine alberne Strickmütze auf dem Kopf hatte.
    »Poppy«, rief sie ein wenig atemlos. »Haben Sie Andy gesehen?«
    »Er hat sich aus dem Staub gemacht, als Caleb gerade Sandwichs holen war«, sagte Poppy, als sie sich begegneten. Poppy war in eine dicke Daunenjacke gehüllt, die für eine Arktisexpedition geeignet schien, und hatte ihren Basskoffer in der Hand. »Nur gut, dass Caleb sowieso beschlossen hat, die Session wegen des Wetters abzublasen, sonst wäre er sicher stinksauer auf Andy. Und ich muss jetzt zum Zug, sonst komme ich heute nicht mehr heim nach Twyford.«
    »Warten Sie.« Melody fasste sie am Arm. »Wissen Sie, wo Andy hingegangen ist?«
    »Nein. Jemand hat ihm so einen geheimnisvollen Zettel unter der Studiotür durchgeschoben. Ich konnte ein bisschen was lesen, bevor er ihn mir weggenommen hat. Irgendwas von einem Treffen, und dann stand da noch« – Poppy zog die Augenbrauen zusammen – »so was wie ›du weißt ja, wo‹.« Sie zuckte mit den Achseln. »Was immer das heißen soll. Aber er schien es zu wissen.«
    »Wie lange ist das her?«
    »Vielleicht eine halbe Stunde.«
    »Gut. Danke.«
    »Es ist doch alles in Ordnung mit ihm, oder?«, fragte Poppy, während sie zusammen die Gasse hinaufgingen.
    »Ganz bestimmt«, antwortete Melody, obwohl sie sich da alles andere als sicher war. »Jetzt sollten Sie sich beeilen, sonst kommen Sie nicht mehr den Gipsy Hill runter.«
    Mit ihren Stiefeln, die aussahen, als hätten sie Autoreifen als Sohlen, stapfte Poppy los. Sie winkte, als sie oben angekommen war, und verschwand dann hinter der Kuppe.
    Melody verlangsamte ihren Schritt und dachte fieberhaft nach. Was könnte Andy dazu gebracht haben, mitten in einer Aufnahmesession aus dem Studio zu stürmen? Und wer würde ihm eine solche Nachricht zukommen lassen?
    Sie dachte an Nadine, die im Lauf dieser Ermittlung mehrmals wie ein Geist aufgetaucht und wieder verschwunden war. Sie wusste immer noch nicht, welche Rolle Nadine gespielt hatte, aber wenn Nadine Andy treffen wollte, welchen Ort hätte sie gewählt, um sicherzugehen, dass er sofort wusste, was gemeint war?
    Und plötzlich wusste sie es. Andy hatte ihr nie

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