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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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…«
    Ein kurzer Moment der Stille, der nichts Gutes ahnen ließ. François ließ nicht locker.
    »Du hast mir nicht alles gesagt …«
    Der Polizeidirektor senkte den Kopf.
    »Sie hatte kein Gesicht mehr.«
    »Was?«
    »Du hast mich richtig verstanden. Der Mörder hat es abgenommen.«
    Gespanntes Schweigen. Marchand ließ ein paar Sekunden verstreichen, bevor er fragte:
    »Wie hat er sie umgebracht?«
    »Das können wir noch nicht mit Gewissheit sagen. Der Körper war ausgeblutet. Das kann heißen, dass sie noch am Leben war, als er sie zerstückelte.«
    Wieder Stille. Hénon fingerte nervös an einer Büroklammer herum. François fragte weiter:
    »Wurde eine Botschaft gefunden, ein Bekennerschreiben?«
    »Nichts dergleichen.«
    »Hast du schon das SALVAC * konsultiert?«
    »Ohne Erfolg.«
    Das fing ja gut an. François rieb sich die Augen und erwiderte:
    »Was halten die Kollegen vor Ort davon?«
    »Die sind ein bisschen ratlos. Der Ermittlungsrichter hat sich mit dem Staatsanwalt abgesprochen, und die beiden haben beschlossen, die Regionalabteilung der Kripo von Avignon mit der Ermittlungsabteilung der Polizei zusammenzulegen. Und weil die Sache so ungewöhnlich ist, hat er mich um unsere Mithilfe ersucht. Ich hielte es für das Beste, wenn du dich um den Fall kümmern würdest.«
    Marchand nickte. Die Erinnerung an die letzten Stunden verblasste. Wut, Groll, Frustration – bei so vielen negativen Gefühlen war Flucht nach vorn das beste Mittel.
    »Der Bericht über die Leichenbeschau kam per Fax rein«, fuhr Hénon fort. »Da war auch das Protokoll der Leichenbeschau dabei.«
    Seine dicke, behaarte Hand zog einen Packpapierumschlag aus der Schreibtischschublade.
    »Wir müssen schnell machen. Die Presse hat schon Informationen abgezapft. Das ist die reinste Hysterie da unten.«
    »Wie heißt der Richter?«
    »Bruno Faure. Er weiß, dass du kommst. Ich habe mir erlaubt …«
    François unterbrach ihn.
    »Das hast du gut gemacht. Morgen früh bin ich dort.«
    3
    Es regnete doppelt so stark. Kalte Lanzen fielen vom Himmel und prasselten wie Maschinengewehrsalven gegen die Windschutzscheibe.
    François fuhr in den Tunnel hinein. Das satte Schmatzen der Reifen auf dem Asphalt. Plötzlich ein künstliches Licht. Das Gefühl, in einen riesigen Siphon gesogen zu werden. Vor und hinter ihm fuhren nur wenige Autos. Sie flohen vor dem wütenden Sturm in den Schutz der Betonröhre, die unter La Défense entlanglief.
    Drei Minuten später war der Kommissar wieder in der Stadt angelangt. Der Périphérique war verstopft, die Boulevards des Maréchaux völlig überlastet. Er machte lieber einen Umweg.
    Er ließ die Porte Maillot hinter sich und fuhr Richtung Place de l’Étoile. Avenue de la Grande-Armée. Champs-Élysées. Avenue George-V. In zwei Reihen geparkte Limousinen, wartende Touristenbusse vor dem Crazy Horse. Etwas weiter weg, in der Bar des théâtres war kein Platz mehr frei.
    Trotz Sturm und Kälte musste François lächeln. Diese Stadt schlief nie. Sie war wie an eine Nuklearbatterie angeschlossen, ein Uraniumherz, das bei jeder noch so geringen Beleuchtung pulsierte.
    Er überquerte die Pont d’Alma und fuhr auf den Quai Branly. Nach etwa hundert Metern bog er auf die Avenue de La Bourdonnais ab. Plötzlich packte ihn die Wehmut. Hier war er aufgewachsen, hinter den dicken Mauern eines Haussmann’schen Gebäudes, in der komfortablen Beengtheit einer großen bürgerlichen Familie. Obwohl so viel Zeit vergangen war, er eine ganz andere Richtung eingeschlagen hatte und jetzt in einer ganz anderen Wirklichkeit lebte, hatte diese Vergangenheit ihn doch stark geprägt. Mit einem Gütesiegel, das ihn für alle Zeiten definieren würde.
    Bei den Marchands wurde der Arztberuf vom Vater an den Sohn weitergegeben. Als guter Sohn, der aber noch keine festen Pläne hatte, nahm François dieses Schicksal an und schlug denselben Ausbildungsweg ein. Nach dem Arzt im Praktikum, bei dem er die Prüfung gerade noch bestand, konnte er sich nur noch zwischen zwei Fachrichtungen entscheiden: Pädiatrie oder Psychiatrie. Da er sich für Kinder nicht sehr begeistere, blieben ihm nur die Verrückten.
    Zunächst hatte er eine Stelle am Hôpital Sainte-Anne bekommen, in einer Pflegeabteilung für psychotische Patienten. Die Gewalt, die in diesem Paralleluniversum herrschte, war ihm ziemlich unter die Haut gegangen. Zerstörte Leben, Menschen mit zerrüttetem Verstand, beständiges Leid. Mit anderen Worten, ein von Verzweiflung

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