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Wer Böses Tut

Wer Böses Tut

Titel: Wer Böses Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Forbes
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von all dem sensationslüsternen Zeug ist es im Kern vor allem ein Liebesgedicht.«
    »Ein Liebesgedicht? Ich habe es nicht ganz gelesen, aber mir kommt es nicht besonders romantisch vor.«
    »Ah, aber das ist es, auf Swinburnes ganz eigene Weise. Nehmen Sie diese Zeilen:
    Und bei Tag soll dein Puls in ihm pochen,
Und im Traum, da dein Schatten ihn traf,
Wirst du sanfter sein Herz unterjochen,
Im Wachen, im Schlaf.
    Ist das nicht wunderschön?«
    Donovan fragte sich, ob ihr etwas entgangen war, und durchforstete die fotokopierten Seiten noch einmal. Jetzt fiel ihr auf, dass sich die Worte Blut, Schmerz und Opfer wie ein Leitmotiv durch den Text zogen. »Also, mir kommt das alles ziemlich verdreht vor«, sagte sie nach einer Weile.

    Spicer lächelte. »Jedem das Seine. Vergessen Sie Ihre Vorurteile, Sergeant. Egal, wie pervers Ihnen das alles vorkommt, aber ich sage Ihnen, wenn Sie nach der Kernaussage des Gedichts suchen und danach, was es im Zusammenhang mit ihrem Mord bedeutet: Es geht wirklich um Liebe.«
    Donovan hatte keine Ahnung, wie sie diese Interpretation Tartaglia erklären sollte, und fragte: »Sie sagten, dass Swinburne heutzutage völlig unmodern ist. Wird er an der Universität überhaupt noch gelesen? Ich frage mich, wie jemand auf dieses Gedicht gekommen ist.«
    »Jeder, der die englische Literatur des neunzehnten Jahrhunderts behandelt,wird es kennen. Es ist sehr typisch für seine Zeit, und ich beziehe mich in meinen Vorlesungen regelmäßig auf Swinburne und ›Dolores‹. Man kann sogar von einer größeren Leserschaft ausgehen. Das Fantasy-Spiel Dungeons and Dragons verwendet zum Beispiel den Namen und die Hauptcharakteristika des Gedichts bei seinen Rollenspielen, obwohl das Gedicht natürlich gar nichts damit zu tun hat.« Professor Spicer faltete die Hände auf dem Schoß und beugte sich zu Donovan hinüber. »Sind Sie sich ganz sicher, dass Sie mir nicht mehr erzählen dürfen, Sergeant Donovan? Ich sterbe vor Neugier.«
    Donovan lächelte und wünschte, sie könnte mehr erklären, aber das Gedicht war eines von vielen Dingen, die nicht an die Öffentlichkeit kommen sollten. »Ich verrate wahrscheinlich nicht allzu viel, wenn ich Ihnen sage, dass das Gedicht einer Frau geschickt wurde, die jetzt tot ist, und wir nicht wissen, wer es ihr geschickt hat.« Das verdrehte die Wahrheit ein wenig, aber sie wollte hilfsbereit erscheinen.
    »Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, dass der Absender männlich ist, oder? Glauben Sie, dass er der Mörder ist?«
    Donovan lächelte. »Mehr kann ich wirklich nicht sagen. Es tut mir leid.«

    Spicer legte nachdenklich einen Finger an die Lippen. »Natürlich ist er total besessen, der arme Kerl. Kennen Sie La Belle Dame Sans Merci ? Von Keats?«
    »Vage.«
    »Nun, genau wie bei Keats kennt Dolores keine Gnade. War Ihr Opfer eine Art femme fatale ?«
    »Auch das ist ein Geheimnis.«
    »Geheimnis. Da haben Sie es. Das ist Teil der Faszination. Der arme Mann, der sich in sie verliebt.« Spicer lehnte sich mit einem glücklichen Seufzer in die weichen Kissen des Sofas zurück, als hätte sie das Puzzle gelöst.
    »Warten Sie mal. Wenn wir noch einmal auf das Gedicht zurückkommen und den Grund, warum jemand es geschickt haben könnte, was will er damit sagen? Da ist keine Wut, keine Bitterkeit. Wie Sie schon sagten: Der Mann leidet schreckliche Qualen.«
    »Und genau das ist Swinburne.« Spicer griff nach ihrem Becher auf dem Fußboden und nippte nachdenklich an ihrem Kaffee. »Aber das muss selbst in einem modernen Kontext gelten. Ich glaube, wer auch immer das Gedicht geschickt hat, will ihr sagen, dass er sie liebt, egal, wie sehr er durch sie gelitten hat. Die menschliche Natur ist pervers, Sergeant. Überlegen Sie nur einmal, wie viele Menschen sich in die falsche Person verlieben - auch wenn sie verdammt gut wissen, dass es die falsche Person ist. Egal, welchen Rat man ihnen gibt - je mehr diese törichten Kreaturen verletzt werden, desto weniger können sie davon lassen. Es ist, als wollten sie leiden. Natürlich lese ich nur zwischen den Zeilen und lasse meine Fantasie spielen. Aber wenn er Ihr Mörder ist, hat er vielleicht einmal genug gehabt. Selbst der Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird.«

    Liz machte es sich mit einem Glas Wein in den Tiefen des großen Ledersessels bequem, die bestrumpften Füße untergeschlagen. »Wenn Rachel am Freitagmorgen getötet wurde, was hat sie dann am Abend vorher gemacht? Sie sagten, sie war mit jemandem

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