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Wer braucht schon Zauberfarben?

Wer braucht schon Zauberfarben?

Titel: Wer braucht schon Zauberfarben? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu Pera
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Vater ist dem Herzinfarkt nahe. Tiberius hat die Augen so weit aufgerissen, dass ich befürchte, sie fallen ihm raus. Artis ist nur am Haareraufen und Beliars Kiefermuskel zuckt vor Wut.
    „Warte Mädchen. Das ist wohl kaum möglich“, wendet mein Onkel ein, der sich als Erster gefangen hat. „Da liegt ein jahrzehntealter Bann auf dem Gebäude.“
    „Jetzt nicht mehr“, entgegne ich.
    Mein Vater atmet tief durch. Ich wappne mich für die Abreibung meines Lebens.
    „Ich habe wohl verabsäumt, dich Gehorsam zu lehren“, stellt er mit absolut ruhiger Stimme fest. Oh, oh gar nicht gut. „Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass noch niemand um deine Hand angehalten hat.“ Autsch. „Sieh dich an. Du bist eine Monstrosität, selbst in der magischen Welt.“ Das hat er nicht gerade echt gesagt. „Geh mir aus den Augen“, verlangt er überheblich. Dabei macht er wieder diese abwertende Geste mit der Hand.
    Einige Sekunden sehe ich ihn nur fassungslos an, dann ziehe ich den Schlüsselbund, den ich Gillean vom Gürtel geklaut habe, hervor und werfe ihn meinem Vater zu, der ihn in der Luft abfängt.
    Ich erkläre: „Die Schlüssel öffnen die anderen Tower. Der Bann ist an lose Steine in der Mauer am Fuße des jeweiligen Turms gebunden. Zieht man den richtigen Stein heraus, bricht man ihn. Ihr findet sicher einen Menschen, der das für euch erledigt.“ Ohne eine Emotion zu zeigen, drehe ich mich um und gehe.
    „Nur der Großinquisitor trägt solch einen Schlüssel“, ruft mir mein Onkel nach. „Wie hast du ihm diesen Besitz abgenommen Mädchen?“
    „Ich habe ihn gefressen. Monster tun das doch“, spotte ich ohne mich umzudrehen, weil ich die Tränen nicht mehr zurückhalten kann.
    Ich bin kaum aus der Halle raus, da sprinte ich los, überspringe einen Teil der Treppen zum Stall, nehme mir ein Pferd und galoppiere zum Steinkreis ohne zurückzublicken.
     

     

     
     

Blau
     

    Unschlüssig sitze ich vor dem Umschlag, der auf meinem Bürotisch darauf wartet, geöffnet zu werden. Ich gebs zu, ich hab Schiss ihn aufzumachen. Es war vielleicht etwas überstürzt, das Haar, das ich meinem Vater geklaut habe, als er mich im Arm gehalten hat, ins Labor für einen genetischen Abgleich zu schicken. Zu meiner Verteidigung: Ich bin noch immer wütend auf ihn – er hat mich Monster genannt. Außerdem geht mir Beliars Vermutung, ich sei halb weiße, halb schwarze Hexe, nicht mehr aus dem Kopf.
    Jetzt reiß dich am Riemen Raven, da musst du jetzt durch. Energisch öffne ich den Brief und lese:
     

    …
99,9 %ige Wahrscheinlichkeit … blablabla … Vaterschaft
nicht
erwiesen …
     

    Mein Herz bleibt stehen.
Nein
. Das ist nicht möglich – nicht schon wieder. Tu mir das nicht an.
    Keuchend werfe ich den Brief ins Feuer meines offenen Kamins. Ich sinke auf die Knie, kralle meine Hände in mein Haar und muss mich zurücknehmen, nicht loszuschreien. Wild ziehe ich an meinen Locken, bis der Schmerz unerträglich wird.
    Im nächsten Moment laufe ich aus dem Zimmer. Mein Ziel ist klar, ich muss mich betäuben, bevor ich das Haus sprenge.
    Aus der Minibar im Salon kralle ich mir eine Flasche Wodka, aus der ich einen großen Schluck nehme. Das Zeug ist so widerlich, dass ich husten muss, aber der nächste Schluck brennt schon deutlich weniger. Vollkommen fertig trinke ich weiter.
    Warte mal? Was mach ich hier eigentlich? Die Flasche gleitet aus meinen zitternden Händen, was sie am Marmorboden zerschellen lässt. Unendlich wütend über mich selbst, schlage ich nach den anderen Flaschen, die ebenfalls zu Bruch gehen.
    Ich bin in die Scherben gestürzt, weil meine Beine erneut nachgegeben haben. Der Schmerz hat etwas Befreiendes. Die Locken, die immer noch stetig die Farbe wechseln, hängen mir über die blutigen Hände. Das macht mich so wütend, dass ich ein „HÖR AUF“, brülle.
    Die Magie in meinen Körper ist in Balance, denn meine Haare sind nun schwarz mit blonden Strähnen. Der Schiedsrichter, also ich, hat wohl die rote Karte gezeigt. Das fühlt sich eigenartig an, so als würden die Kräfte in meinem Inneren einen Kampf austragen.
    In einem Akt der Verzweiflung reiße ich mir das Kleid runter. Als ich mich in die Scherben lege, kann ich kaum klar denken.
    Ich will wieder etwas fühlen. Auch wenn es nur der Schmerz ist. Mein Körper sehnt sich nach irgendetwas, was mich daran erinnert, dass ich noch lebendig bin. Meine halterlosen Strümpfe reißen in einem ungleichmäßigen Muster.
    Im nächsten Augenblick

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