Wer braucht schon Zauberfarben?
Jahrhundert, um genau zu sein. Auf einer Insel namens Rikers Island in der Stadt New York.“ Dass das eine Gefängnisinsel ist, enthalte ich ihm lieber vor.
„
Was
?“, prustet er ungehalten. Ich glaube, er dreht gleich durch, denn das war wohl nicht die Antwort, die er erwartet hatte.
Aufgebrachte Stimmen reißen uns aus diesem Moment. Gillean stößt einen Fluch aus. „Ich lenke sie ab und locke sie wieder zurück zum Hauptquartier. Bleib wo du bist, ich bin gleich zurück. Du wirst das erklären. Hast du mich verstanden?“, raunt er flüsternd.
Keine zwei Sekunden später läuft er zurück zum Hauptgebäude. Ich lächle, denn er hat vergessen, mittels Stein den Bann wiederherzustellen.
Im nächsten Atemzug haue ich ab. Nur fürs Protokoll: Ich hab ihm gesagt, wo sein Vater ist. Das war der Deal. Dass er mit der Information nichts anfangen kann, ist sein Problem, nicht meins.
In einem Moment der Schwäche, stoppe ich und blicke zurück auf den Tower. Ich denke an die Folterkammer, höre ihre Schreie in meinen Gedanken. Fühle die Angst, die ich an diesem grausamen Ort empfunden habe. Nie wieder soll jemand hier drin leiden müssen, sage ich mir in Gedanken.
Ich schließe die Augen und konzentriere mich. Dann singe ich aus Leibeskräften: „
I came in like a wrecking ball
“ von Miley Cyrus.
Als ich die Augen öffne, wird das Gebäude bereits durch meinen Zauber von einer unsichtbaren Abrissbirne bearbeitet. Teile des Turms treffen mit ohrenbetäubendem Lärm auf die Erde auf.
Ich lasse Feuer emporsteigen, damit auch nichts mehr von den Instrumenten übrigbleibt. Dabei brülle ich so laut, dass sich meine Stimme fast überschlägt, lasse alles raus, setze all meine Aggressionen frei.
Ich zittere am ganzen Leib als der Tower in Trümmern vor mir liegt. Scheiße, hat das gutgetan.
Den ganzen Weg zurück zur Burg meines Vaters bin ich nur am Heulen. Das hab ich grad echt gebraucht.
Zu sehen, wie dieser verdammte Turm in Flammen aufgeht, gibt mir wieder Kraft. Obwohl das ganz schön brutal war, fühle ich mich irgendwie befreit. Als hätte der Tower wie ein tonnenschwerer Stein auf meine Seele gedrückt.
Das Pferd habe ich so gehext, dass es keine Spuren hinterlässt. Außerdem bewegt es sich lautlos fort. Schließlich will ich nicht nochmal der Inquisition ins Netz gehen. Nicht nachdem ich ihren Turm des Grauens gesprengt habe.
Das letzte Stück des Weges bin ich so erschöpft, dass ich den Zauber abbrechen muss. Zu Fuß schleppe ich mich die Zugbrücke entlang.
Ich weiß nicht wie, aber schlussendlich bin ich doch noch kurz vor Sonnenaufgang angekommen. Hoffentlich hat niemand mein Verschwinden bemerkt, sonst komme ich in Erklärungsnöte.
Als ich in die große Halle trete, finde ich meinen Vater, meinen Onkel, meinen Bruder Artis und Beliar vor. Sie scheinen in reger Diskussion zu sein – zumindest bis ich hereingeschneit bin.
„Wo warst du Kind?“, stößt mein Vater aufgebracht aus. „Wir haben Beliar gerufen, um gemeinsam nach dir zu suchen.“ Da geht er hin, mein Plan, nicht aufzufliegen.
„Ähm ich war ... aus“, antworte ich. Was ja nicht mal gelogen ist.
„
Allein
?“, prustet mein Bruder wütend. Da geht wohl grad sein Beschützerinstinkt mit ihm durch.
„Raven, wo warst du?“, fordert Beliar forsch. Uh, er ahnt, dass ich was ausgefressen habe.
„Okay, ich gestehe alles“, erkläre ich mit erhobenen Händen. „Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass ich etwas angestellt habe“, entgegne ich kleinlaut. Dabei wanke ich leicht. Verdammt, der Zauber war kräftezehrend. Ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten.
Alle Männer heben gleichzeitig die Augenbrauen an. Mein Onkel bricht das Schweigen: „Bitte sag mir, dass du nur um die Häuser gezogen und betrunken bist, Mädchen.“ Schön wärs.
Es hilft nichts, also gestehe ich: „Ich habe die Hexen aus dem Tower befreit.“
Ihnen klappt reihenweise die Kinnlade runter. Erneut wanke ich bedrohlich vor eintretendem Schwindel. Den Männern ist der Ärger über die Information ins Gesicht geschrieben.
„
DU
…
HAST
…
WAS
?“, brüllt mein Vater. Ich hab mich so erschrocken, dass ich sogar zurücktaumle.
Ich schlucke und flüstere: „Das war noch nicht alles.“
„
WAS
? WAS UM ALLES IN DER WELT KANNST DU NOCH ANGESTELLT HABEN RAVEN!“, ruft mein Vater außer sich vor Wut.
Ich nehme all meinen Mut zusammen, strecke die Schultern zurück und verkünde: „Ich habe den Tower zerstört.“ Mein
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