Wer den Himmel berührt
werden wir all unsere Rinder mit Hubschraubern zusammentreiben. Wir werden Lastwagen einsetzen, statt unser Vieh über einen Zeitraum von sechs Monaten zweitausend Kilometer weit zu treiben. Wir werden auf dem Sektor der Rinderzucht ins zwanzigste Jahrhundert übergehen.«
»Deinem Vater gefällt diese Vorstellung nicht?«
»Mein Vater glaubt, dann wäre es ein reines Geschäft. Er engagiert sich voll und ganz dafür, die Dinge so weiterzuführen, wie sie in den letzten hundert Jahren betrieben worden sind. Er sagt, wenn ich ein Geschäft leiten will, soll ich nach Sydney gehen.«
»Aber du liebst es doch, das Vieh zusammenzutreiben und auf Viehtrieb zu gehen. Du liebst das Leben, das du führst.«
Er nickte. »Aber ich werde nicht bis in alle Ewigkeit dasselbe tun.« Er drehte sich lächelnd zu ihr um. »Mach dir eins über mich klar: Ich bin unruhig. Ich will neue Dinge ausprobieren. Ich will anderen voraus sein. Eines Tages werde ich mehr Land und mehr Rinder besitzen als jeder andere in ganz Australien.«
Cassie, die nackt war, setzte sich auf dem heißen Felsen auf. »Was hast du mir gerade über die Harmonie zwischen dem Menschen und der Natur erzählt?«
»Ich weiß. Und daran glaube ich wirklich. Und doch lebe ich in keiner solchen Gesellschaft. Ich lebe in einer, in der man sich entweder vorwärtsbewegen muß oder untergeht. Wenn ich mich vorwärtsbewege, dann mag das dazu führen, daß das Leben meiner Enkelkinder weniger lebenswert ist, aber ich muß mich vorwärtsbewegen oder untergehen. Und ich werde mich weit voranbewegen. Ich werde richtungweisend sein.«
Cassie streckte die Hand nach ihrem BH aus und begann, sich anzuziehen. Blake streckte die Arme nach ihr aus, zog sie zu sich hoch und beugte sich herunter, um sie auf die rechte Brust zu küssen. »Warum ist das so wichtig?« fragte sie.
»Wie sonst werde ich wissen, daß ich erfolgreich war? Sieh dich um, sieh dich nach allen Seiten um.« Er beschrieb mit dem Arm einen Bogen. »Ich will nicht dieses Stück Land besitzen, aber ich werde vergleichbares Land besitzen. Ich werde so viel Land besitzen, über einen so großen Landesteil erstreckt, daß ich keine Rinder verliere, wenn eine Dürre ausbricht. Ich werde in der Lage sein, die Rinder quer durch das Land zu Märkten zu transportieren, auf Land, das mir gehört. Es mag nur ein schmaler Streifen sein, aber ich werde Land besitzen, das sich von hier bis Brisbane oder Adelaide erstreckt. Meine Rinder werden bei den ersten Anzeichen auf eine anhaltende Dürre in andere Gegenden getrieben werden können; sie werden nicht auf hoffnungslos abgegrastem Land festsitzen und nicht aus dieser Falle herauskommen. Es wird einen Pfad von Tookaringa in die Städte geben, der nicht abgegrast sein wird, sondern nur darauf wartet, bis er gebraucht wird, der nur auf meine Rinder wartet.«
»Mein Gott, Blake, willst du damit etwa sagen, daß du Land besitzen willst, das sich über tausend, wenn nicht gar mehr Meilen am Stück hinzieht?« Cassie zog ihre Kleider an und knöpfte ihren Rock zu.
»Ja. Ganz genau. Du wirst es ja sehen.«
Das war eine ganz unerhörte Vorstellung, und doch glaubte sie, daß Blake alles erreichen konnte, was er sich in den Kopf setzte. Sie schlang ihm die Arme um die Taille und lehnte den Kopf an seine Brust. »Ich zweifle nicht einen Moment daran.« Sein Arm legte sich um ihre Schultern, und er drehte sich so um, daß sie von der steilen Böschung meilenweit über das Land hinausschauten. »Dies, meine Liebe, ist das letzte Neuland auf Erden. Hier können Träume noch wahr werden. Innerhalb des nächsten Jahrzehnts wird eine weitere Dürreperiode hereinbrechen, die Hunderttausende von Tieren töten wird, die Familien zerbrechen und Herzen brechen lassen wird, die die Fleischpreise sprunghaft ansteigen lassen wird. Das Land wird austrocknen, und Rinder und Schafe werden zu weit von Bohrlöchern entfernt sein, die ohnehin ausgetrocknet sein werden, und ihre Kadaver werden den Kontinent bedecken. Die Träume, die Hoffnungen und das Leben von zahllosen Menschen werden zerstört werden. Aber nicht wir, nicht Tookaringa. Bis dahin, Cassie, werde ich auf meinem gesamten Land, das bis zur Küste reicht, Bohrlöcher haben, und meine Rinder werden weiterziehen und noch nicht einmal Gewicht verlieren. Was für viele den Untergang mit sich bringt, wird für uns Einnahmen bedeuten. Nicht etwa, daß ich das herbeisehne. Aber es ist unvermeidlich. Die Geschichte und das Wetter wiederholen sich
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