Wer den Himmel berührt
Weißen sehen auch nicht die Freiheit, die dieses Leben mit sich bringt. Oder die Sicherheit, die es mit sich bringt, genau zu wissen, was von einem erwartet wird, genau zu wissen, welche Rolle einem zugewiesen worden ist.«
»Oh, ich weiß nicht so recht«, warf Cassie ein. »In einer zivilisierten Gesellschaft wissen wir doch recht genau, welche Rollen uns zugewiesen worden sind.«
Blake lachte. »Tja, vielleicht wissen das die meisten Menschen, aber du hast dieses Schema aufgebrochen. Du begnügst dich nicht mit der herkömmlichen Rolle einer Frau.«
»Aber es sind auch nicht alle Stämme so wie dieser hier. In manchen Stämmen tun sich Männer und Frauen tatsächlich zusammen und bilden Familienverbände«, sagte Buffalo.
»Was passiert«, fragte Blake, »wenn Sie eine schwarze Frau wollen?«
Buffalo schnitt eine Grimasse. »Ich doch nicht.«
»Also gut, wenn irgendein weißer Mann eine schwarze Frau haben will?«
»Er nimmt sie sich. Das sind sie gewohnt. Immer wenn ein Mann eine Frau will, nimmt er sie sich einfach. Sie hat dabei nichts mitzureden. Ob dieser Mann nun ein Weißer oder ein Schwarzer ist. Sie glaubt, dazu ist sie da. Um benutzt zu werden. Aber was mich abstößt, ist nicht, daß eine Frau schwarz ist. Es ist die Syphilis. Ich wüßte von keinem Stamm, der nicht von Geschlechtskrankheiten geplagt ist. Ich selbst verbringe einen Monat im Jahr in irgendeiner Stadt, in der es weiße Frauen gibt.« Zu Cassie sagte er: »Ich hoffe, Sie nehmen daran keinen Anstoß, Ma’am.«
Sie hätte gern gesagt: keineswegs. Aber sie brachte es nicht über sich.
26
D as war ein wunderbarer Urlaub«, sagte Cassie, die die Tür des Wagens noch nicht geöffnet hatte. »Jede einzelne Minute war einfach großartig.«
»Sieh mal«, sagte Blake und schlang seine Finger um ihr Handgelenk, »du redest über all das, als ginge es nur um zwei gemeinsam verbrachte Wochen und tollen Sex. Das ist ein Haufen Unsinn. Du weißt verdammt gut, daß das keine zwei gewöhnlichen Wochen waren. Was wir in dieser Zeit gehabt haben, bekommen viele Menschen in zwei Jahren nicht, wenn überhaupt je. Wie viele Leute kennst du, die eine solche Zeit miteinander verbracht haben? Niemanden, stimmt’s? Und wenn du findest, ich ginge ganz schön hart ran, dann ist das eben meine Art. Wenn dich das stört, dann solltest du am besten teuflisch schnell davonlaufen, denn wenn ich etwas will, dann strecke ich die Hand danach aus, packe es und halte es fest. Ich bemühe mich, feinfühlig zu sein, aber der Teufel soll mich holen, wenn ich auf Samtpfoten herumschleiche. Ja, ich will dich. Das solltest du inzwischen deutlich gemerkt haben.« Er beugte sich vor und küßte sie, obwohl vor Cassies Haus Leute über die Straße liefen.
»Wie soll ich bloß wieder auf den Boden kommen?«
Er grinste. »Dein Leben spielt sich nicht auf der Erde ab – du mußt dich in die blauen Weiten erheben. Ich weiß auch nicht, wie ich das anstellen werde. Wir werden von all dem mitgerissen, und das ist nur gut so. Aber jetzt laß uns Möglichkeiten ins Auge fassen. Wenn wir das tun, wird sich alles übrige von selbst erledigen.«
Cassie hatte nie eine derart überschwengliche Freude verspürt. Er hatte deutlich klargestellt, oder so war es ihr zumindest erschienen, daß er nicht von ihr erwartete, sie sollte ihren Beruf weiterhin ausüben; er wollte eine Ehefrau, die sich damit begnügte, Mrs. Blake Thompson zu sein.
Jahrelang hatte sie sich auf nichts anderes konzentriert als darauf, Ärztin zu sein, aber jetzt würde sie all das mit Freuden dafür aufgeben, auf Tookaringa zu leben, Blakes Frau zu sein und seine Kinder zu gebären. Nichts anderes zählte mehr, nur noch dieser Mann an ihrer Seite.
Sie hatte sich für ein weiteres Jahr bei den Fliegenden Ärzten verpflichtet. Solange konnten sie miteinander verlobt sein.
»Sieh mal«, sagte er und fuhr mit einem Finger über ihre Kehle. »Wir haben alle Zeit auf Erden. Laß es uns langsam angehen. Wir werden voneinander getrennt sein, du oben am Himmel und ich draußen auf dem Land, und wir werden daran denken, wie es wäre, miteinander zu schlafen. Jeder von uns beiden wird sich an die Berührungen des anderen erinnern und sich nach ihm sehnen. Wir werden gemeinsam Neuland erkunden, geographisch und emotional.«
»Du kannst mich sogar mit Worten verführen«, sagte Cassie lächelnd.
Er lachte. »Sieh dir nur an, wer hier von Verführung spricht. Wahrscheinlich werde ich auf der zwölfstündigen Rückfahrt
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