Wer den Himmel berührt
schlimmeren Verfassung sein mußten, doch Phil sagte immer wieder: »Ich bin ein Mann, und Männer klagen nicht.« Während er das sagte, biß er die Zähne zusammen.
Am Nachmittag, nachdem Fiona belegte Brote zubereitet hatte, fragte sie: »Können die Kinder nicht einen Mittagsschlaf halten?«
»Ich will sie derart ermüden, daß ihnen gar nichts anderes übrigbleibt, als heute nacht zu schlafen.« Cassie schaute zum Horizont. Das gleißende Zinngrau war jetzt einem bleichen Orangeton gewichen und nahm mit dem Näherkommen an Größe zu. »Es ist immer noch meilenweit entfernt«, sagte sie in der Hoffnung, Fiona würde ihr zustimmen.
Fiona sagte kein Wort.
Sie liefen den ganzen Tag über, erlaubten den Kindern jedoch, sich häufig auszuruhen. Der Hund, der hinter den Schafen herlief, schien niemals zu ermüden. Cassie sorgte dafür, daß alle Tiere häufig Wasser bekamen. Schließlich schmerzten ihre Blasen so sehr, daß sie die Stiefel auszog und barfuß durch die Furchen lief.
Um sechs Uhr waren die Schafe fix und fertig. »Richte etwas zum Essen her«, sagte Cassie zu Fiona. »Ganz gleich, was. Sieh nach, ob es noch Kaffee gibt, ja? Ich könnte wirklich eine Tasse gebrauchen.« Jetzt roch sie das Feuer, das wahrscheinlich keine fünfzehn Meilen mehr entfernt war. Beißender Rauch erfüllte die Luft.
»Bring den Hund und die Schafe ins Haus«, sagte Cassie zu Phil.
»Die Schafe?« Er kicherte.
»Dein Vater will sie als Grundlage, um seine zukünftige Herde zu züchten, stimmt’s? Bring sie in die Küche.«
»Ich rieche es. Ich kann das Feuer riechen.« Fiona legte einen Arm um Laurie.
»Hör nur«, sagte Phil, der dem Hund die Anweisung gab, die Schafe ins Haus zu führen. »Es knistert.«
Laurie brach in Tränen aus. »Wir werden verbrennen«, jammerte sie.
»Sei ruhig«, fauchte Cassie. Sie wußte, daß die Kinder, falls sie genauso müde waren wie sie selbst, einschlafen würden, sowie sie volle Bäuche hatten. Sie dankte Gott für Fiona, denn ohne sie hätten sich die Kinder zu Tode gefürchtet.
Laurie schlief am Tisch ein.
»Ich bin so müde, daß ich das Gefühl habe, ich könnte vor Müdigkeit sterben«, sagte Fiona. »Glaubst du, daß wir sterben werden?« Sie hob Laurie hoch und trug sie ins Schlafzimmer. Das Baby schlief bereits tief und fest. Phil saß auf seinem Bett und schmuste mit dem Hund, der bisher noch nie ins Haus hatte kommen dürfen. Die Pfoten des armen Tieres waren blutig, und es winselte, während es sie leckte. Die Schafe waren in der Küche eingesperrt und mampften das Heu, das Cassie aus der Scheune geholt hatte.
»Fürchtest du dich?« fragte Cassie, als die beiden Frauen allein miteinander waren.
»Du dich etwa nicht?«
»Ich könnte mir vor Angst in die Hose machen.«
»Ich denke an Blake, und ich bedaure, daß wir nie wirklich zusammen waren. Ich habe den ganzen Tag an ihn gedacht.«
Blake.
Cassie stand auf und lief barfuß zur Tür. »Sieh es dir an«, flüsterte sie. »Man könnte es niemandem beschreiben. Hör dir dieses Zischen an, obwohl es noch meilenweit entfernt ist.«
»Wie viele Meilen?« Fiona stellte sich neben Cassie und legte einen Arm um sie.
Cassie zuckte die Achseln. »Nicht genügend. Ich fühle mich so nutzlos, als sei alles, was wir tun, vergeblich.«
»Du hast alles getan, was du tun kannst. Ich bin einfach nur hinterhergelaufen. Ich bin hier diejenige, die sich nutzlos fühlt.«
»Vielleicht sind wir es beide. Es gibt jetzt absolut nichts mehr, was wir noch gegen dieses Feuer unternehmen könnten.«
»Oh, doch«, sagte Fiona. »Wir können unser eigenes Feuer anzünden. Darauf sollte doch alles hinauslaufen, was wir den ganzen Tag getan haben, oder etwa nicht?«
Cassie drehte sich zu ihrer Freundin um und sah sie an. »Wenn uns das Feuer nicht umbringt, könnte ich vor Erschöpfung sterben.« Fiona nickte zustimmend. »Was ist, wenn es nicht klappt?«
Fiona nahm Cassie an der Hand und beugte sich vor, um sie auf die Wange zu küssen. »Cassie, ich setze Vertrauen in dich. Aber wenn es nicht klappt und wenn ich jetzt sterben muß, dann nehme ich an, ich möchte lieber mit dir zusammen sterben als mit irgend jemand anderem, der mir im Moment einfiele.«
»Mir geht es genauso.« Cassie schlang die Arme um Fiona. »Aber ich habe entsetzliche Angst. Ich bin noch nicht bereit zu sterben. Ich will nicht, daß diese drei Kinder sterben.«
»Auf dich ist Verlaß, Cassie. So ruhig hätte ich mit niemand anderem bleiben können. Immer wieder
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