Wer den Himmel berührt
rausfliegen. Sie assistierte Chris bei Operationen und übernahm Patienten, wenn er überlastet war, doch die Zeit verging langsam für sie. Fiona hatte auch den ganzen Tag über nichts Konstruktives zu tun. »Hast du eine Romanze mit dem guten Doktor?« fragte sie.
Cassie schüttelte den Kopf. Sie konnte Fiona ihre tiefsten Gefühle nicht mehr preisgeben. »So würde ich es nicht nennen. Ich glaube, ohne Isabel fühlt er sich einsam. Wir haben ein gemeinsames Interesse an medizinischen Dingen, und ich glaube, er hat inzwischen begriffen, daß die Fliegenden Ärzte keine Bedrohung für ihn darstellen. Er war sehr nett und hat Noteinsätze für mich übernommen, als … als ich nicht hier war. Und als es zu der Bruchlandung gekommen ist, ist er die ganze weite Strecke gefahren, um sich um mich zu kümmern. Wir reden viel über Medizin miteinander.«
»Ich glaube, er ist bis über beide Ohren in dich verliebt. Er wirkt anders, nicht mehr so steif. Nicht mehr wie eine angespannte Feder.«
»Wenn du damit meinst, daß er nicht mehr so schroff und abweisend ist, dann bin ich deiner Meinung. Mir fällt auf, daß er nicht nur sein Verhalten uns gegenüber geändert hat, sondern auch gegenüber seinen Patienten. Vielleicht wird er mit dem Älterwerden freundlicher.«
»Seit Isabels Tod sieht er jünger aus.«
»Ich habe den Verdacht, mit ansehen zu müssen, wie die Frau, die er geliebt hat, so unendlich langsam gestorben ist, hat ihn altern lassen. Und jetzt ist dieser entsetzliche Druck von ihm genommen.«
»Mir kommt es nicht so vor, als würdet ihr beide allzuviel miteinander reden, wenn er zum Abendessen kommt. Ihr wirkt wie flüchtige Bekannte, die nach einem Gesprächsstoff suchen. Ich frage mich, ob ihr beide euch überhaupt miteinander unterhalten würdet, wenn ich nicht hier wäre. Die ganze Stadt bezeichnet euch beide als ein seltsames Paar.«
Cassie warf den Kopf zurück. »Wir sind kein Paar.«
»Das mag ja sein, aber falls ihr es doch seid, dann seid ihr wirklich ein seltsames Gespann.« Sie las Cassie Stellen aus den Briefen vor, die Blake ihr schrieb. Es waren nicht viele, doch immer, wenn sie einen Brief von ihm bekam, war Fiona tagelang überglücklich und las das Geschriebene so oft, daß das Papier kaum noch zusammenhielt.
»Er wird jetzt zu Bombenangriffen eingesetzt«, verkündete Fiona mit lodernden Augen und verängstigter Stimme. »Er fliegt über den Kanal.«
Cassie sagte nichts dazu.
»O Gott, wie sehr ich doch wünschte, er hätte mich geschwängert. Wie sehr ich doch wünschte, ich bekäme ein Kind von ihm.«
Eines Abends berichtete Chris den beiden, er hätte eine Patientin, die eine Augenoperation brauchte und es sich nicht leisten konnte, nach Adelaide zu fliegen oder den Zug dorthin zu nehmen. Er hatte ihr vorgeschlagen, selbst mit dem Wagen hinzufahren. Die Frau konnte jedoch nicht fahren. Sie konnten es sich nicht leisten, ihre drei kleinen Kinder mitzunehmen, und Chris fragte sich, ob Cassie und Fiona vielleicht ins Auge fassen würden, eine Woche auf dem Gehöft zu verbringen, damit der Mann seine Frau währenddessen nach Adelaide fahren konnte. Fiona war den Umgang mit kleinen Kindern gewohnt, und vielleicht hätten die beiden Lust, Urlaub auf dem Land zu machen und etwas anderes zu sehen. Es könnte ihnen sogar guttun, sich nützlich zu fühlen, da sie jetzt schon seit drei Wochen herumsaßen und nichts taten. Er erbot sich, Cassies Funksprechstunde dreimal am Tag zu übernehmen.
»Sie leben etwa fünfundvierzig Meilen südöstlich von hier. Ihr müßtet die Kuh melken, aber es ist ein kleines Anwesen, auf dem ihr sonst nichts tun müßtet, außer auf die Kinder aufzupassen.«
Cassie und Fiona sahen einander an. »Also, ich brauche es, gebraucht zu werden«, sagte Fiona. »Das könnte doch Spaß machen.«
»Ich kann euch am Sonntag rausfahren«, sagte Chris, »und am Sonntag darauf kann ich kommen und euch abholen. Es führt keine richtige Straße dorthin, eher eine Art Lehmweg. Es gibt keine anderen Gehöfte in der Nähe.«
»Pionierfrauen«, sagte Cassie und überlegte sich, daß ihr dieser Aufenthalt Einblicke in ihre Patienten und deren Leben vermitteln könnte. »Klar, ich bin dafür zu haben.«
»Ich dachte mir gleich, ihr beide könntet bereit dazu sein. Ich danke euch herzlich.« Er stand auf, um zu gehen. Cassie begleitete ihn ans Tor.
Er nahm sie an den Händen. »Ich kann nachts nicht schlafen, weil ich ständig an dich denke.«
Sie schlang ihm die Arme um
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