Wer den Himmel berührt
wollte allein sein. Sie wußte noch nicht einmal, warum sie weinte. Schließlich schlief sie ein.
Am Morgen wurde sie von den Schreien der Kinder geweckt, die lachten, im Haus herumliefen und Steven weckten. Als Cassie in die Küche kam, hatte Steven bereits Kaffee aufgesetzt und bereitete gerade Rühreier vor.
»Ich wußte gar nicht, daß du diese verborgenen Talente besitzt«, sagte sie und bemühte sich, ihn anzulächeln, und doch hätte sie nichts lieber getan, als sich einfach wieder ins Bett zu legen. Aber sie konnte Fiona nicht mit den drei Kindern allein lassen. Und außerdem konnte ihnen jetzt nichts mehr passieren. Warum fühlte sie sich bloß so elend, und warum war ihr so kalt und so schwindlig?
Als Steven ihr Kaffee einschenkte und ihr die Tasse reichte, wurde sie ohnmächtig.
Als sie wieder zu sich kam, war Chris über sie gebeugt. »Wir bringen dich von hier fort, fort von dem Lärm und den Kindern. Ihr Vater kommt heute nachmittag in die Stadt, und Fiona kümmert sich um die Kinder. Ich bringe dich solange in mein Haus rüber. Du brauchst Ruhe und Frieden.«
Cassie war zu schwach, um Einwände zu erheben. Er trug sie zu seinem Wagen. »Deine Kleider können wir später rüberbringen lassen«, sagte er.
Sie ließ sich dankbar auf den Sitz sinken.
Er packte sie in sein Bett und zog die Vorhänge zu. »Ich muß jetzt ins Krankenhaus gehen, aber um die Mittagszeit komme ich zurück und mache dir etwas zu essen. Jetzt gebe ich dir erst mal etwas, was dir dabei hilft, dich zu entspannen und zu schlafen.«
Sie wachte erst wieder auf, als es schon fast dunkel war, und sie roch, daß Essen gekocht wurde. Sie fand, sie sollte aufstehen und ins Wohnzimmer gehen, um Chris zu zeigen, daß er ihr das Essen nicht ans Bett bringen mußte, doch sie konnte sich einfach nicht dazu zwingen, sich von der Stelle zu rühren.
Als Chris reinkam, schaltete er das Licht an und sagte: »Kannst du aufstehen, um zur Toilette zu gehen? Du bist den ganzen Tag nicht auf der Toilette gewesen.«
Cassie nickte. Natürlich konnte sie das. Aber als sie versuchte, sich zu bewegen, konnte sie noch nicht einmal die Decke zurückschlagen. Chris beugte sich zu ihr, hob sie hoch und trug sie ins Bad. »Ich warte draußen«, sagte er, »aber hab keine falsche Scheu, falls du mich brauchst. Schließlich sind wir Ärzte.«
Als er sie wieder ins Bett gepackt hatte, sagte er: »Ich habe Hühnerbrühe zubereitet.« Er hatte ihr zwei Kissen in den Nacken geschoben.
»Es muß dir zum Hals heraushängen, ständig kranke Frauen zu pflegen, stimmt’s?«
Er nahm ihr Handgelenk und drückte fest zu. »Sag so etwas nie mehr. Das ist nicht dasselbe. Du bist nicht Isabel.« Aus seiner Stimme war Wut herauszuhören.
Sie fing an zu zittern, und es wurde immer schlimmer, bis ihre Zähne klapperten. Chris saß neben ihr, hatte die Arme um sie geschlungen, schmiegte sie an sich, fuhr mit der Hand durch ihr Haar und flüsterte: »Aber, aber. Es ist doch alles gut. Es ist doch alles wieder gut.« Die Wärme seines Körpers wirkte sich mit der Zeit beruhigend auf sie aus, und sie schlief neben ihm ein. Er saß die ganze Nacht da, hielt sie in den Armen und schlief zwischendurch im Sitzen.
Er gab ihr wieder eine Spritze, ehe er am nächsten Morgen zur Arbeit ging, doch sie wachte auf, ehe er nach Hause zurückkam. Sie lag starr im Bett und glaubte, mit den Ereignissen nicht mehr fertig zu werden. Warum sind Warren und Mary gestorben und nicht ich? Warum bin ich am Leben? Warum wollte Blake mich nicht heiraten? Warum hat er sich für meine beste Freundin entschieden? Er hat sich zwischen uns gestellt, und jetzt kann ich mir bei ihr nicht mehr Luft machen. Wir können einander nicht mehr so nah sein wie früher. Warum ist Jennifer gestorben? Diese schöne Frau, die in der Blüte ihres Lebens stand. Bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.
Sie weinte, stumme Tränen, die über ihre Wangen rannen.
Als Chris nach Hause kam, fand er Cassie zusammengerollt wie einen Embryo vor. Ihr Gesicht war von Tränen überströmt, und sie starrte mit weit offenen Augen ins Leere. Sie wollte nicht mit ihm reden oder auch nur seine Anwesenheit zur Kenntnis nehmen. Als Steven später vorbeikam, starrte Cassie ihn ausdruckslos an, und beide Männer wußten, daß sie sie nicht sah.
»Sie steht unter Schock«, sagte Chris zu Steven. »Ich glaube, es ist ihr alles zuviel geworden, und sie kann es nicht mehr verkraften. Der Krieg – das Fortgehen ihrer Freunde, Jennifers
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