Wer den Himmel berührt
zu kaufen, aber der Ire muß bisher noch weiterarbeiten, damit wir die Rinder bezahlen können, die wir haben wollen – und die Unterhaltskosten. Ich bleibe jetzt zu Hause und züchte Rinder und baue unser Anwesen aus. Er ist nur das halbe Jahr unterwegs.«
»Sie leben die Hälfte des Jahres allein?«
»Deshalb habe ich mir die Instrumente von Ihnen bringen lassen«, sagte Tina. »Ich habe oben in Darwin eine Ausbildung als Zahnhygienikerin gemacht und fast ein Jahr lang in dem Beruf gearbeitet – das war langweilig, und ich wußte schon bald, daß ich ein aufregenderes Leben brauche. Aber hier habe ich mir dann gedacht, ich brauche Leute um mich, solange ich auf den Iren warte, und daher habe ich mir überlegt, daß ich mich der Zahnprobleme der Menschen in dieser Gegend annehmen könnte. Die Schulkinder werde ich umsonst behandeln – ich sage mir, das ist mein Beitrag für die Gesellschaft. Aber wenn ich jemand anderem einen Zahn ziehe oder plombiere, dann kann ich mir damit ein wenig Geld dazuverdienen, meine Ausbildung nutzbringend einsetzen und vielleicht alle hier in der Gegend kennenlernen.«
»Ein Freund von uns betreibt den Viehtrieb von seinem Hubschrauber aus«, sagte Cassie. »Ich frage mich, ob er von Ihren Methoden weiß.«
»Wer?« fragte Tina.
»Blake Thompson.«
Sam sah Cassie aus zusammengekniffenen Augen an.
»Oh, den Vertrag für Tookaringa haben wir in der Tasche«, sagte Tina. »Jedenfalls den für die beiden nördlichen Quadranten. Die beiden anderen übernimmt Blake selbst – der Ire hat ihm beigebracht, wie das geht. Wir fliegen immer liebend gern hin. Manchmal verbringe ich dort drei bis vier Wochen in jedem Quadranten. Fiona kommt mindestens einmal raus, und dann veranstalten wir ein großes Barbecue. Ich finde diese Frau einfach toll.«
»Wer nicht?« stimmte Sam ihr zu.
Sie redeten bis weit in den Nachmittag hinein mit Tina. Als sie abflogen, sagte Cassie: »Das ist jemand, den ich gern näher kennenlernen würde.«
Als Sam den Motor anließ, sagte er: »Du solltest ihren Mann kennenlernen. Der Ire ist ein Mann von der Sorte, wie man ihn unter einer Million Menschen nur einmal findet.«
Cassie schloß die Augen. Sie schlief im allgemeinen, wenn sie am späten Nachmittag zurückflogen. Aber Sam fragte: »Hast du Lust, dir heute abend einen Film anzusehen?«
Sie schlug die Augen auf und warf einen Blick auf ihn. Er grinste. »Was hast du dagegen einzuwenden, mit einem verheirateten Mann ins Kino zu gehen?«
»So, wie du das sagst, klingt es fast ein bißchen gefährlich.«
Er ließ die Hände auf dem Steuer, sah ihr aber in die Augen. »Doc, in das gefährliche Stadium sind wir schon vor einer ganzen Weile eingetreten, und das weißt du genausogut wie ich.«
54
C assie konnte sich nicht erinnern, so glücklich gewesen zu sein, seit sie vor mehr als zehn Jahren mit Blake in Kakadu gewesen war. Es war, als hätte sie ihre Gefühle in all den Jahren sorgsam unter Verschluß gehalten, und sie begriff, daß sie es vorsätzlich getan hatte. Sie hatte sich selbst gelobt, sich nie mehr dem Leid zu öffnen, das unweigerlich auf Freude zu folgen schien.
Aber das hier war etwas anderes. Sie hatte jetzt nur noch wenige Illusionen, was das Leben anging. Sam war verheiratet. Die Beziehung zwischen ihnen konnte zu nichts führen. Und doch erwachte sie täglich mit einem Gefühl von Freude. Jeden Tag von neuem konnte sie es kaum erwarten, die Funkzentrale zu betreten, die jetzt fünf Räume hatte, alle zur geschäftlichen Nutzung, während Betty und die Kinder jetzt nebenan ihr eigenes Haus samt Veranda hatten. Die Stadt wuchs, und neben der einst abgelegenen Funkstation hatte Betty jetzt Nachbarn, die sie zu Fuß erreichen konnte.
Ihr geschärftes Wahrnehmungsvermögen im Alltag rührte von dem subtilen Wandel in ihrer Beziehung zu Sam her. Keiner von beiden sprach darüber, aber wenn ihre Blicke sich trafen, sahen sie einander länger in die Augen.
An den Montagabenden, wenn Romla und Jim zum Abendessen kamen, begann sich jetzt auch Sam einzustellen, ungeladen, aber äußerst willkommen. Nach dem Essen spielten sie Karten oder gingen ins Kino. Wenn Sam und Cassie im Dunkeln nebeneinandersaßen, berührten sich ihre Arme. Eines Abends nahm Sam ihre Hand und hielt sie für den Rest des Films fest. Cassie konnte sich nicht erinnern, worum es in dem Film gegangen war, aber noch Tage hinterher spürte sie die Wärme, die Sams Berührung hinterlassen hatte.
Zum ersten Mal seit mehr
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