Wer den Himmel berührt
unsere Kinder aufziehen, wie sie ihre eigenen Kinder aufgezogen hätte, wenn sie …« Das Ende des Satzes hing in der Luft, denn er sollte niemals beendet werden. Fiona seufzte, holte noch einmal Luft und stellte dann das Atmen ein.
Cassie wandte sich mit bestürztem Gesichtsausdruck zu Blake um, der auf die Knie fiel, in Tränen ausbrach und die Arme über seine tote Frau breitete. Cassie stand auf und ging um das Bett herum. Sie kniete sich neben Blake, legte die Arme um ihn und durchweichte den Rücken seines Hemds mit ihren Tränen.
Sam stand in der Tür und beobachtete all das.
Sam und sie bemühten sich für den Rest des Tages, Blake und die Kinder zu trösten. Blake entschied sich für eine Feuerbestattung, und Sam willigte ein, die Leiche mitzunehmen und sie in das Bestattungsinstitut in Augusta Springs zu bringen, in dem dann in einer Woche ein Gedenkgottesdienst abgehalten werden sollte. Damit gaben sie allen in der Nachbarschaft die Gelegenheit, in die Stadt zu kommen. Steven regelte alles, da Blake zu sehr von seinem Kummer überwältigt war, um klar denken zu können.
»Ich bleibe hier«, sagte Steven zu Cassie. »Ich werde ihn nicht allein lassen.« Auch in seinen Augen standen Tränen. »Ich habe sie wie eine Tochter geliebt«, sagte er immer wieder.
Cassie hatte das Gefühl, ein Teil ihrer selbst sei aus ihr herausgerissen worden, aber erst kurz vor Einbruch der Abenddämmerung, als Sam und sie mit Fionas Leiche in die Stadt zurückflogen, gestattete sie es sich, endlich zu weinen. Ein lautes, tiefes Schluchzen. Nie mehr mit Fiona zusammenzusein. Nie mehr ihr Gelächter zu hören, nie mehr ihre Umarmungen zu spüren, nie mehr … nie mehr. Niemals mehr.
Der Leichenwagen erwartete sie auf dem Flugplatz, und Fionas Leiche wurde schon abgeholt, ehe sie auch nur aus dem Flugzeug ausgestiegen waren.
Sam legte einen Arm um Cassie. Beide hatten ihre Wagen auf dem Flugplatz stehen, doch er sagte: »Komm, ich fahre dich nach Hause.«
»Nein.« Sie schüttelte seine Hand ab, die auf ihrer Schulter lag. »Ich möchte allein sein.«
Als sie in ihren Wagen stieg, fiel ihr wieder ein, daß Sam sie zum Abendessen eingeladen hatte. »Du wolltest mir etwas erzählen?«
»Das kann warten.« Er beugte sich vor und schloß die Tür.
Zu Hause ging sie ins Bett, nachdem sie zwei Gläser unverdünnten Scotch getrunken hatte, und beim Einschlafen hörte sie Fionas Flüstern:
Sei meinen Kindern eine Mutter, Cassie.
55
A m nächsten Morgen sagte Cassie Blake während der Funksprechstunde, wenn er Lust hätte, nach Augusta Springs zu fliegen und sie zu holen, käme sie mit ihm hinaus, bliebe das Wochenende über auf Tookaringa und würde sich um die Kinder kümmern und ganz für ihn und Steven dasein.
Blake nahm das Angebot an.
Sam sagte den ganzen Tag über kaum ein Wort. Sie hatten keine Sprechstunde angesetzt, und Cassie konnte die Notfälle am Telefon klären. Sie lief wie ein Zombie herum und bekam kaum mit, wenn man etwas zu ihr sagte. Romla versuchte, sie mit einer Essenseinladung zu trösten. Aber Cassie konnte nur noch weinen.
Keine Fiona mehr.
Fiona und Jennifer, zwei Leben, die durch überflüssige Unfälle in Windeseile ausgelöscht worden waren. Es war schwer für die Hinterbliebenen, mit dem plötzlichen Schock und der Endgültigkeit all dessen fertig zu werden.
»Was werden diese Kinder jetzt tun?« fragte Cassie.
Romla schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, mein Liebes. Was tun andere Kinder, die einen Elternteil verlieren? Blake hat alles Geld auf Erden, um gute Kindermädchen und Gouvernanten einzustellen. Bestimmt wird besser für sie gesorgt werden als für die Kinder der meisten Leute in solchen Zeiten.«
»Männer wissen nicht, was sie mit einem aufgeschrammten Knie oder mit Halsschmerzen anfangen sollen …«
»Ich kann mir gut vorstellen, daß Blake wieder heiraten wird. Wie alt ist er, gerade erst vierzig?«
»Neununddreißig.«
Romla legte einen Arm um Cassie und lächelte. »Vielleicht dich. Du bist sowohl …«
Cassie hob den Kopf und funkelte sie wutentbrannt an. »Wie kannst du in einem solchen Moment so mit mir reden?«
»Ziemlich taktlos, was?« sagte Romla zerknirscht. »Es tut mir leid. Der Gedanke ist mir nur durch den Kopf geschossen.«
Und Cassie erkannte, daß sie mit demselben Gedanken erwacht war.
Sei meinen Kindern eine Mutter, Cassie.
Wenn schon keine Mutter, dann wenigstens eine innig geliebte Tante. Die beiden kleineren Kinder hatten den
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