Wer den Himmel berührt
Firma aufgezogen. Er besitzt einen eigenen Hubschrauber, und außerdem sind noch zwei andere Piloten mitsamt ihren Hubschraubern eingestellt, drei Bullenfänger?«
»Was ist ein Bullenfänger?« fiel ihr Cassie ins Wort.
Tina sah sie an. »Ihr beide habt keine Ahnung vom Viehtrieb mit Flugzeugen?«
Sam sagte: »Ich habe schon davon gehört.«
»Dann werde ich euch jetzt erzählen, wie das geht«, sagte Tina, deren dunkle Augen leuchteten. Aus ihrer Stimme war die Begeisterung herauszuhören. »Der Ire ist der beste Mann in dieser Branche.«
»Er war weiß Gott der beste Pilot, mit dem ich je geflogen bin«, stimmte Sam ihr zu.
»Jede große Ranch hat viele vagabundierende Rinder …«
»Das sind die echten Ausreißer, die ohne Brandzeichen frei herumlaufen«, erklärte Sam Cassie.
Tina fuhr fort. »Um eine große Ranch ordentlich neu zu bestücken, muß man all diese Ausreißer aus den Canyons und Schluchten zusammentreiben und dafür sorgen, daß sie nicht mehr frei umherstreifen. Diese Rinder wollen keinen Menschen in ihre Nähe lassen, und daher fliegt der Ire seine Männer ein … er hat zwei Piloten und drei Bullenfänger mit der entsprechenden Ausrüstung, eine Handvoll Treiber und einen Koch und für den Fall, daß etwas kaputtgeht, wozu es fast immer kommt, außerdem noch einen Mechaniker.«
»Das sind aber ziemlich viele Männer und Maschinen.«
Sie nickte. »Wem sagen Sie das. Die Bullenfänger fahren Lastwagen mit Überrollbügeln – das sind große Stoßstangen, die einen Bullen in eine andere Richtung treiben und ihm überallhin folgen können. Die Bullen können ihnen nicht entkommen. Jedenfalls kundschaften sie das Gelände von der Luft her aus, damit sie sehen, wo sich enorme Herden von Rindern scharen, und dann rechnet man sich aus, wohin sie wohl unterwegs sind, zum Beispiel zur nächsten Wasserstelle, und dann schickt der Ire seine Treiber und seine Laster in das Gebiet, und die Piloten treiben das Vieh zu ihnen. Man braucht gut einen Tag, bis man einen transportablen Viehhof aufgebaut hat. Er ist ziemlich groß, sieht aus wie ein regulärer Viehhof und hat Koppeln und Bahnen, um die Rinder auf Lastwagen zu verladen. Die Männer ziehen hohe Bahnen Juteleinen auf, auf zwei Seiten von etwa achthundert auf sechshundert Meter Länge, und dort werden die Rinder hineingetrieben. Das Juteleinen ist nicht sehr kräftig, und es schwankt im Wind; wenn sie sich wirklich dagegenwerfen würden, könnten die Rinder mühelos ausbrechen. Aber aus irgendwelchen Gründen versuchen sie das nie.
Jedenfalls ist es eine Kunst, diese Rinder von überall her in diesen Schacht zu treiben. Man muß dabei behutsam vorgehen, um sie nicht zu sehr zu erschrecken. Manchmal muß ein Treiber aus einem Hubschrauber springen, einen Bullen am Schwanz packen, ihn auf den Rücken rollen und ihm die Hinterbeine zusammenbinden.«
Obwohl sie seit mehr als einem Jahrzehnt im Busch lebte, hatte Cassie nie eine solche Schilderung des Viehtriebs gehört. »Das klingt gefährlich.«
Tina grinste. »Männer lieben diese Arbeit. Zumindest die Männer, die sich zu dieser Form von Leben hingezogen fühlen. Sie würden sich keinen anderen Job auf Erden wünschen. Ihre Arbeitstage sind lang und hart, aber die Bezahlung ist gut. All das läßt sich in etwa einem Sechstel der Zeit bewerkstelligen, die man früher gebraucht hat, um das Vieh ohne Flugzeuge und Hubschrauber zusammenzutreiben. Und es werden auch weniger Männer benötigt.«
»Was werden all die Aborigines tun, wenn sie ihre Arbeit als Treiber verlieren?«
»Wenn man Maschinen dafür einsetzt, die Arbeiten zu verrichten, die früher von Menschen verrichtet worden sind, dann kostet das weniger Geld, aber Menschen werden überflüssig«, sagte Sam. »Der sogenannte Fortschritt bringt nicht immer für alle einen höheren Lebensstandard mit sich.«
»Dann bleiben Sie also zu Hause, während Ihr Mann unterwegs ist und arbeitet?« fragte Cassie.
»Erst in der letzten Zeit«, sagte Tina lächelnd. »Ich war die chinesische Köchin, die der Ire eingestellt hat. Er wußte nicht, daß ich mich auch als Frau erweisen würde. Zwei Jahre lang war ich mit den Treibern unterwegs. Wir haben jedoch nach sechs Wochen schon geheiratet, und dann war es ›unser‹ Unternehmen, und ich habe nicht mehr nur gekocht, sondern auch beim Viehtrieb mitgeholfen. Aber unser Ziel ist es gewesen, unser eigenes Land zu haben und unsere eigenen Rinder zu züchten. Wir haben genug Geld gespart, um Land
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