Wer den Himmel berührt
einmal zusehen lassen, während Sam neben dem Patienten kniete. Cassie wandte den Männern den Rücken zu und sprach mit Sam. »Er hat krampfartige, kolikähnliche Schmerzen, die wogenförmig auftreten. Wahrscheinlich spürt er den Stein seitlich unter den Rippen und etwas weiter hinten, und er strahlt aus, um den Bauch herum, in die Leistengegend hinunter und sogar bis in die Hoden. Sieh nach, ob das stimmt.«
»Ich soll seine Eier anfassen?« fragte Sam.
Cassie mußte lächeln, was keiner der Männer sah. Sie nickte. »Übermittle das einfach in irgendeiner Form. Wahrscheinlich erlauben sie mir noch nicht einmal, das Wort in ihrer Gegenwart auszusprechen.«
Sie verstanden alle Englisch, und daher wußten die Männer, was Cassie sagte. Der Patient stöhnte.
»Wenn es das ist, wofür ich es halte, dann hat er wirklich furchtbare Schmerzen, ähnlich wie Wehen, und Blut im Urin würde auch dazugehören. Sieh zu, ob du das herausfinden kannst.«
So war es.
Cassie seufzte. »Die Schmerzen lassen sich nur dadurch lindern, daß man Morphium spritzt, wahrscheinlich ziemlich häufig. Erlauben Sie mir, ihm eine Spritze zu geben?«
Sam und die Männer tuschelten miteinander. »Nein.«
»Du hast das schließlich schon getan. Der Schmerz vergeht nur, wenn der Nierenstein aus dem Ureter in die Blase fällt.«
»Was ist das?« fragte Sam.
»Der Harnleiter, der von der Niere zur Blase führt. Wenn der Stein aus dem Ureter fällt, wird der Schmerz, der auf Muskelkrämpfe zurückgeht, plötzlich vergehen. Später wird er dann einen kleinen Stein urinieren, der wie ein winziger Felssplitter aussehen sollte.«
»Und was ist, wenn das nicht passiert?«
»Dann wird er weiterhin unerträgliche Schmerzen haben, und ein operativer Eingriff ist erforderlich.« Während sie mit Sam redete, kniete sich Cassie hin und holte ein Röhrchen Morphium und eine Spritze aus ihrer Arzttasche. Sie nickte Sam zu. »Such dir einen Wattebausch und den Alkohol heraus. Reib die Stelle damit ab, an der du ihm die Injektion gibst.«
Sie brauchte ihm nicht zu sagen, wie das ging; er hatte im Lauf der Jahre schon Hunderte von Spritzen gegeben.
Die Sonne begann, über den Horizont zu sinken, und ihre karmesinroten Strahlen richteten sich mitten in den Himmel.
»Und was jetzt?« fragte Sam, als sie sich außer Hörweite befanden.
»Ich vermute, wir werden über Nacht hierbleiben. Zum Flugzeug können wir jedenfalls bestimmt nicht zurückreiten. Du kannst im Morgengrauen mit dem Jungen aufbrechen und das Flugzeug holen. Du kommst doch dahinter, wie du wieder hierherfliegen kannst, oder nicht?«
Sam grinste, steckte eine Hand in die Hosentasche und zog einen Kompaß heraus. »Ob ich das kann? Was für eine Frage!«
Cassie sah sich um. »Hier ist es doch gewiß überall flach genug für eine Landung, oder nicht?«
»Du spielst mit dem Gedanken, ihn ins Krankenhaus mitzunehmen?«
»Ja, wenn er den Nierenstein heute nacht nicht verliert.«
»Sie werden dir nicht erlauben, ihm Morphium zu spritzen, solange ich weg bin. Sie werden dich nicht in seine Nähe lassen.«
»Das werden wir ja sehen. Wenn er morgen immer noch diese schlimmen Schmerzen hat, dann wird er wissen, welche Linderung ihm das Morphium verschaffen kann, und er wird darum betteln.«
»Bist du bereit, es zu riskieren, daß wir mit ihnen essen?«
Cassie verzog das Gesicht. »Warum nicht?«
Sie sollten es nicht bereuen. Es gab Favabohnen, Couscous, Tabbouleh und Joghurt aus Ziegenmilch. Die Gerichte waren exotisch und äußerst schmackhaft.
»Ihr werdet drei Stunden brauchen, um zum Flugzeug zurückzureiten«, sagte Cassie, »und was glaubst du, wie lange du für den Flug brauchst?«
»Etwas mehr als eine halbe Stunde.«
Sowie die Sonne verschwunden war, sank die Temperatur, und Cassie fror. Einer der Kameltreiber brachte eine Decke.
»Wir haben nur eine. Es tut mir leid«, sagte er.
»Das verspricht gemütlich zu werden«, sagte Sam.
Sie saßen dicht nebeneinander, in die Decke gehüllt, die nach Kamel roch, und sahen zu den Sternen auf, von denen der Himmel bedeckt war.
»Ist Fiona einer von diesen Sternen, was meinst du?«
Sam antwortete nichts darauf.
»Was wolltest du mir letzte Woche erzählen, an dem Tag, als Fiona gestorben ist?«
»Das spielt im Moment keine Rolle.«
»Sag mir trotzdem, was es war. Es schien dir in dem Moment wichtig zu sein.«
»Liv und ich haben uns auf eine Scheidung geeinigt.«
Der Satz hing zwischen ihnen. Er war so weit wie der
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