Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer den Himmel berührt

Wer den Himmel berührt

Titel: Wer den Himmel berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bickmore
Vom Netzwerk:
man sie in dieser menschenleeren Gegend brauchte, in der es keine erkennbaren Straßen und keine Eisenbahnen gab. Er erklärte, sein Vater sei krank geworden und könnte nicht weiterlaufen. Sie hatten ihn unter die Bäume gelegt, und der Sohn war in die Stadt zurückgeritten, und dort hatte der Wachtmeister die Fliegenden Ärzte angerufen.
    Hinter einer der Hütten kam ein Junge heraus, der drei Kamele führte. Sam und Cassie schauten einander an. Sam grinste. »Bist du je auf einem Kamel geritten?«
    »Ich habe noch nie auch nur eines gesehen.«
    Die Kamele kamen näher, und die Quasten an ihren verzierten Sätteln klimperten fröhlich. Ihre Hinterbeine wirkten zu schmal, um ihre schweren Körper im Gleichgewicht halten zu können. Sie traten leichtfüßig und rhythmisch mit den Fußballen auf und trabten mit einer lässigen Anmut, als tanzten sie, und dabei wiegten sie sich von einer Seite auf die andere.
    Cassie schaute zum Horizont und sah nichts. »Ist es nicht einfacher, wenn wir fliegen?«
    »Komm schon«, sagte Sam, »freu dich auf ein Abenteuer.«
    Cassie neigte den Kopf zur Seite. »Laß mich meine Arzttasche holen.«
    Sie zogen durch endlose Meilen von schimmernden Geröllwüsten. In den beiden ersten Stunden war von einem Horizont zum anderen kein einziges Unterscheidungsmerkmal in der Landschaft zu finden. Woran der junge Mann, der ihnen den Weg wies, die Richtung erkannte, war Cassie unbegreiflich. Die Sonne neigte sich nach Westen und bot den einzigen Hinweis auf die Himmelsrichtung. Es gab kein Gras, nur ausgetrocknete Flußbetten, in denen selbst dann, wenn sie angefüllt waren, nicht mehr als ein Rinnsal fließen konnte.
    »Die ganze Gegend wirkt steril und tot«, murmelte Cassie nach einer Stunde vor sich hin.
    Sam rief ihr zu: »Sieh dir das an! Gibt dir das nicht das Gefühl, unbeschreiblich klein zu sein? Aus der Luft müssen wir aussehen wie Ameisen.«
    »Warum begeistert dich das?«
    »Mein Gott, sieh dir doch nur diese Farben an. Rottöne, Gelbtöne – sieh nur, wie die Sonne sie strahlen läßt. Und sieh dir diese graugrünen Salzmelden da drüben an.« Sie umrundeten einen niedrigen Hügel. »Wie kannst du bloß von
tot
sprechen? Siehst du diesen olivgrünen Akazienbaum, der sich dort drüben ausbreitet?«
    Die Landschaft spielte ihnen Streiche. Ferne Gegenstände, von denen es nur wenige gab, setzten sich im Hochrelief ab. Am Horizont tanzten wasserblaue Luftspiegelungen. Im Norden waren in der Ferne Sandsteinhügel zu sehen, die im klaren Licht der hellen Sonne rubinrot und bronzefarben schimmerten. Ein Sandhügel sah aus wie ein ferner Berg, da in dem grellen Funkeln der Geröllbrocken Realität und Halluzination miteinander verschmolzen. War etwas eine Meile entfernt, oder waren es zehn Meilen bis dahin? Die Welt wurde zweidimensional; nichts durchbrach das Gesichtsfeld, nichts betonte es. Nur die flache, grenzenlose, unermeßliche Wüste. Das Schweigen, das sie umgab, überschritt jede Stille, die Cassie bisher gekannt hatte. Alles, was ihr durch den Kopf ging, wurde schon bedeutungslos, ehe sie es auch nur aussprechen konnte.
    Sie ritten drei Stunden lang; Cassie fürchtete ständig, sie würde von dem schwankenden Kamel fallen. In der Ferne tauchten drei Männer und eine Kamelkarawane auf und mit ihnen eine weitere Fata Morgana, diesmal Palmen. Ihr junger Führer wies darauf, und Cassie hätte nicht sagen können, ob das Grüppchen fünf oder fünfzehn Meilen vor ihnen war. Sie schienen kaum näherzukommen, bis sie plötzlich da waren. Es war keine Fata Morgana. Dort stand tatsächlich ein Hain von Dattelpalmen.
    »Ich komme mir vor, als sei ich in Marokko«, sagte sie.
    Sam lächelte sie an. »Bist du je in Marokko gewesen?«
    Sie mußte lachen.
    Es erwartete sie der nahezu bewußtlose Patient, der von drei Freunden umgeben war, die alle dieselbe Kleidung trugen wie der junge Mann, der sie durch die Wüste geführt hatte.
    Keiner von ihnen wollte es einer Frau gestatten, den Patienten zu untersuchen. Der Patient flüsterte mit einem der Männer, der Cassie ansah und die Botschaft übermittelte. »Er würde lieber sterben, als seinen Körper von einer Frau berühren zu lassen.«
    Cassie und Sam sahen einander an.
    »Von den Symptomen her«, sagte Cassie, »habe ich das Gefühl, daß es sich um einen Nierenstein handelt. Ich vermute, du wirst für meine Hände einspringen müssen.« Sie sagte Sam, wie er ihn abtasten und wonach er fühlen sollte.
    Die Afghanen wollten sie noch nicht

Weitere Kostenlose Bücher