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Wer den Tod begruesst

Wer den Tod begruesst

Titel: Wer den Tod begruesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cindy Gerard
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wie.
    Sie sah angeschlagen aus. Kampfesmüde. Und die Mauer der Zurückhaltung, die er täglich aufs Neue ihr gegenüber aufbaute, bröckelte aufgrund der Anspannung, unter der sie stand. Als sie fertig war mit der Maske, aufstand und zum Set ging, um sich auf die Spätnachrichten vorzubereiten, war ihm eines klar: Wenn je eine Frau einen Mann als Stütze gebraucht hatte, dann war es diese Frau.
    Und mit absoluter Sicherheit war er nicht dieser Mann, auch wenn sie sich am vorangegangenen Abend einen kurzen Moment lang Hilfe suchend an ihn gewandt hatte. Holen Sie mich hier raus. Bitte holen Sie mich hier raus.
    Danach hatte sie es weggesteckt wie ein Soldat vor einer Schlacht, weil er sie natürlich nicht sofort hatte wegbringen können. Ramón und Jake waren zu ihnen gekommen, hatten das Blut gesehen und eine schützende Mauer um sie herum gebildet, auch als sie ihnen versicherte, dass es ihr gut ginge.
    Nur stimmte das nicht. Aber sie hatte sich tapfer gehalten. Während der polizeilichen Befragung. Während der Rückfahrt ins Studio. Während der Nachrichten, die sie unbedingt moderieren wollte.
    Nicht einmal während der Heimfahrt war sie zusammengebrochen. Im Wagen hatte sie still neben ihm gesessen, zu Hause war sie direkt in ihr Schlafzimmer gegangen und hatte die Tür geschlossen. Jetzt waren sie hier. Mehr als vierundzwanzig Stunden waren vergangen, und sie war immer noch ganz ruhig. Zumindest wollte sie das jeden glauben machen.
    Nicht eine Träne war geflossen. Nicht einmal ihre volle Unterlippe hatte gezittert. Während er außerhalb der Kamerareichweite zusah, wie sie die Nachrichten beendete, dachte er an ihre Stärke. Aber als sie diesen Donnerstagabend mit ihrem Erkennungszeichen »Bis morgen … und ich wünsche Ihnen nur gute Nachrichten …« abschloss, entdeckte er doch das kleine Loch in der Mauer, die sie um sich herum aufgerichtet hatte.
    Seiner Meinung nach hatte niemand anderes bemerkt, dass ihre Hände zitterten, als sie ihr Mikrofon abnahm. Dass sie seinen Blick suchte und ihn mit der schweigenden, unbewussten Bitte um Hilfe festhielt.
    Aber er hatte es gesehen und die ganze Zeit über versucht, das wachsende Mitgefühl, den Stolz und die Besorgnis, die ihn zu ihr hinzogen, zu ignorieren. Er musste sie unbedingt hier herausholen, bevor ihre Mauer zerstört war. Sie war kurz davor zusammenzubrechen, und er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie das absolut nicht wollte. Sie würde es zweifellos schon als Schwäche empfinden, auch nur »Du lieber Himmel« zu schreien, wenn die meisten sterblichen Wesen bereits lange unter dem Druck zusammengebrochen wären.
    Er hatte sie fast erreicht, als er abrupt stehen blieb und sie prüfend musterte. Sie war leichenblass geworden, als sie über Nolans Schulter hinweg jemanden anstarrte.
    Er drehte sich um und sah den Mann, dessen Foto er aus der Akte kannte und der ihm vom ersten Blick an verhasst gewesen war. Bis zu diesem Moment war Nolan nicht klar gewesen, wie sehr er sich eine Konfrontation mit diesem Dreckskerl gewünscht hatte.
    »Jillian.« Steven Fowler triefte geradezu vor Anteilnahme, als er auf sie zutrat und ihr die Arme entgegenstreckte. »Ich habe es gerade eben erst gehört und bin sofort von Chicago hierher geflogen. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht.«
    Quacksalber und Betrüger war die erste Assoziation. Fowler wirkte in seinem maßgeschneiderten, beigen Anzug und seiner Hundert-Dollar-Maniküre geradezu ölig, wie er so dastand, der Inbegriff von Besorgnis.
    Nolan trat vor Jillian. »Treten Sie zurück.«
    Hinter ihm presste sie die Stirn zwischen seine Schulterblätter, als könnte sie einfach keinen weiteren Schlag ertragen und bräuchte ihn, um sich aufrecht zu halten.
    »Wer zum Teufel sind Sie?« Empört musterte Fowler Nolan von oben bis unten.
    »Ich bin der Mann, der nur auf einen Grund wartet, Ihnen den Kopf abzureißen und in den Arsch zu stopfen«, versicherte Nolan ihm trügerisch freundlich. »Also treten Sie zurück, Sie Wichser. Die Lady möchte nicht mit Ihnen reden.«
    Fowlers Gesicht wurde so rot wie eine Ampel. Nolan sah ihn förmlich überlegen, ob er sich mit ihm anlegen sollte – ungefähr zwei Sekunden lang –, bevor er zurücktrat.
    Er wartete sicherheitshalber, bis Nolan zusammen mit Jillian unterm Arm einige Meter zurückgelegt hatte, bevor er den Mut aufbrachte, sie zu beleidigen. »Das ist also dein neuer Typ von Mann? Ein hübscher Muskelprotz mit einem Spatzenhirn?«
    Tiefes Schweigen

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