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Wer den Tod begruesst

Wer den Tod begruesst

Titel: Wer den Tod begruesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cindy Gerard
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bekommen haben, von Bränden über Autounfälle bis hin zu Morden. Diese Episode hatte sie wohl in einer Weise aufgescheucht, die nicht vergleichbar war mit den anderen. Der tote Vogel war ein böses Omen für sie. Erst als sie den Vogel sah, hatte sie wirklich akzeptiert, dass jemand ihren Tod wollte. Der Teil in ihm, der immer noch Bedauern fühlen konnte, bedauerte sie jetzt für das, was vor ihr lag.
    Mitleid und Bedauern hielten sie allerdings nicht am Leben. Aber er. Und im Moment brauchte er dringend mehr Abstand zu diesem entwaffnenden Blick. Das Problem war nur, dass er sich den Luxus von Abstand nicht leisten konnte.
    Wie das Weiße auf dem Reiskorn. Wie das Grün auf dem Grashalm. Wie das Laken auf einem Bett. Wie er auf ihr.
    Er stand auf und ging zu den hohen Fenstern, in denen die Lichter der Stadt in einem Meer von Schwarz glitzerten. Scheinwerfer krochen über die achtspurigen Autobahnen und erinnerten ihn daran, dass unter den Millionen Menschen, die in der ausufernden Metropole an der Küste von Florida lebten, er wahrscheinlich der letzte Mann wäre, dem sie sich aus einem anderen Grund zuwenden würde als dem, Schutz zu suchen.
    Okay. Nach außen hin hatte er also professionell reagiert. Innerlich allerdings verkrampfte sich sein Magen immer noch vor Furcht. Um sie. Nicht um seine Klientin. Um sie. Jillian. Eine Frau, die irgendwie im Verlauf von vierundzwanzig Stunden begonnen hatte, ihm etwas zu bedeuten, was seit unendlich langer Zeit nicht vorgekommen war. Eine Frau, die früher am Abend Halt bei ihm gesucht hatte, völlig aufgelöst war und sich an ihn geklammert hatte, als wäre er der Mann, der einzige Mann, dem sie vertraute oder vertrauen wollte, dass er sie beschützte.
    Und dieser Weg führte in die Irre.
    Der Adrenalinschub war vorüber, und jetzt war Schluss mit diesen Fantasien. Er war nichts weiter als ein bezahlter Helfer. Das war alles, was er je sein würde und sein konnte.
    Tolles Spiel , dachte Jillian wieder und starrte in ihr Weinglas. Ein tödliches Spiel.
    Ein Schauder überlief sie. Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder und hielt ihr Kristallglas fester. Sie wusste nicht einmal, was sie fragen sollte. Was sie denken sollte. Was sie fühlen sollte.
    Bis auf die Angst. Diesen Teil beherrschte sie blind. Sie hatte sich tief in ihr eingenistet und machte sie mürbe. Sie konnte die Erinnerung an diesen armen Vogel nicht abschütteln – oder sich noch länger etwas vormachen. Die Bedeutung des toten Vogels war ihr schmerzlich klar. Wer auch immer ihn getötet hatte, wollte ihr eine tödliche Botschaft senden. Er – oder sie – wollte auch sie töten.
    Bevor ich mit dir fertig bin,
    wirst du dir deinen Tod wünschen.
    Dein Wunsch wird in Erfüllung gehen. Das kann ich dir versprechen.
    Sie schloss die Augen – so, wie sie die Augen vor der Wahrheit verschlossen hatte, seitdem sie die erste Drohung zwei Wochen zuvor erhalten hatte.
    Dies war kein Scherz.
    Es war real.
    »Hat Sie hart getroffen, nicht wahr?«
    Sie musste ein wenig ertappt gewirkt haben, als sie den Blick hob und sah, dass Garrett sie von der Fensterfront aus beobachtete. Sein Blick wurde plötzlich weicher. So wie seine Stimme, als er die Hände tief in die Hosentaschen steckte.
    »Verleugnen gehört zur menschlichen Natur«, sagte er. »Es ist Teil des Anpassungsprozesses. Der springende Punkt ist, dass Sie jetzt im Bild sind. Aber es ist auch wichtig, dass Sie sich von dieser Drohung nicht zu tief herunterziehen lassen. Sie dürfen sich von der Angst nicht paralysieren lassen.«
    »Zu spät«, sagte sie mit einem zurückhaltenden Lächeln. »Die Grenze habe ich bereits überschritten.«
    »Dann hat er Sie genau dort, wo er Sie haben will.« Garretts Stimme zerbrach die Mauer des Terrors. »Dass Sie weglaufen, sich fürchten. Das werden wir nicht zulassen, okay?«
    In dem künstlichen Lachen, das sie ausstieß, lag ein guter Schuss Hysterie. »Sie sind vielleicht ein Optimist. Ich bin weit über das Stadium der Angst hinaus.«
    Halb betäubt wehrte sie sich gegen Vorstellungen von Butzemännern, die sich in ihrem Kleiderschrank versteckten, Wahnsinnigen, die unter ihrem Bett lauerten, Gefahr, die in den Augen von Fremden lag. Von toten Vögeln, hübsch als Geschenk verpackt.
    »Aber Sie sind auch stinkwütend.«
    Noch ein Lachen. Darin lag eine Spur Humor. »Oh ja, das ist irgendwo in diesem Durcheinander mit dabei.«
    Er grunzte anerkennend, das hätte sie schwören können.
    »Sie kommen schon wieder auf

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