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Wer den Tod begruesst

Wer den Tod begruesst

Titel: Wer den Tod begruesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cindy Gerard
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dass sie sie versehentlich vergessen hat, dass sie sie eigentlich Ms. Kincaid als Dank für ihre Rede geben wollte oder etwas in der Art.«
    Er fuhr sich mit zitternder Hand durch seine Igelfrisur. »Er hat sie mir in die Hand gedrückt und mir aufgetragen, Mrs. Baylor zu suchen und ihr die Schachtel zu geben, weil sie ihm sonst Feuer unterm Hintern machen würde. Ich stelle keine Fragen. Ich tue nur, was man mir sagt, verstehen Sie?
    Also machte ich mich auf die Suche. Konnte Mrs. Baylor nicht finden, aber ich hab Ms. Kincaid aus dem Klo kommen sehen, also gab ich sie ihr. Ich meine, schließlich stand ihr Name drauf, warum sollte ich sie ihr also nicht geben? Ich wusste nicht, was drin war. Ich schwöre. Ich hab nur getan, was man mir gesagt hat.«
    Der Junge war nur eine Schachfigur. Davon war Nolan überzeugt. Er war viel zu verängstigt, um etwas anderes zu sein. Nolan war ebenso überzeugt davon, dass der Hinterleger des Päckchens längst über alle Berge war. Er wollte zwar das Küchenpersonal noch ein bisschen befragen, aber er erwartete nicht, dass sie mehr wussten als der Kellner.
    Nolan blickte hinüber zu Jillian, die jetzt auf einem antiken Satinsofa saß. Neben ihr Hannah Baylor, gebührend entsetzt und überraschend mütterlich, als sie Jillians Hand hielt. Durch die Sorge, die sich auf Hannahs Gesicht spiegelte, sah sie kein Jahr jünger aus als die hundertfünfzig Jahre, die er ihr unterstellt hatte.
    Jillian sah aus, als würde sie gleich zusammenbrechen. Er musste sie hier herausholen, und das würde er auch tun, sobald er noch mit ein paar Ketten gerasselt hatte. Leider hatte allerdings niemand in der Küche jemanden das Päckchen dort hinlegen sehen. Außer dem Küchenchef waren dort ausschließlich Aushilfskellner und -köche, die nur Teilzeit arbeiteten, um sich das Studium oder die Miete zu finanzieren, und die an die Reichen und Verwöhnten gewöhnt waren. Sie waren ständig herumgeflitzt und hatten zugesehen, dass ja alle Platten immer gefüllt waren. Sie waren nur bezahlte Hilfskräfte. Sie vermieden jeglichen Augenkontakt. Sie machten ihren Job und befolgten Befehle, stellten keine Fragen.
    »Sie können sie genauso gut nach Hause bringen.« Der Sicherheitsmann, ein Steven-Seagal-Verschnitt inklusive Pferdeschwanz, nickte in Richtung Jillian. »Wir machen noch eine Hausdurchsuchung und sehen, was dabei rauskommt, aber ich schätze, das wird eine Pleite.«
    »Wenn Sie etwas finden, lassen Sie es mich wissen.«
    »Wollen Sie, dass ich es der Polizei melde?«
    Nolan schüttelte den Kopf. »Ich rufe den zuständigen Detective an und informiere ihn.«
    Als Nolan zu Jillian ging, hatte er ein ausgesprochen ungutes Gefühl im Bauch. Wer auch immer das getan hatte, hatte gerade bewiesen, Bodyguard hin oder her, dass er jederzeit an Jillian herankommen konnte. Was nur eines bedeuten konnte.
    Ab jetzt würden Jillian Kincaid und er so fest verbunden sein wie das Weiße auf einem Reiskorn. Sie würde keinen Atemzug tun, ohne dass er es wusste. Sie würde nicht pinkeln gehen, ohne dass er nah genug wäre, um ihr das Klopapier zu reichen. Sich nicht umziehen, ohne dass er ihr den Reißverschluss zumachte.
    Sie war jetzt schon sauer, dass er bei ihr wohnte? Mal sehen, wie sauer sie erst sein wird, wenn ihr aufgeht, was für ein Herz und eine Seele sie werden mussten, bis das hier gelaufen war.
    Grüne Augen blickten ihn an. Sanft wie die Dünung des Ozeans bei Sonnenuntergang.
    Sein Herz machte schon wieder einen Satz. Und Skippy erwachte zum Leben.
    Himmel. Warum hatte Darin Kincaid keinen Sohn?
    An einigen Tagen war es nicht nur seine Vergangenheit, an die John sich nicht erinnern konnte. Heute war einer dieser Tage. Heute Nacht war eine dieser Nächte. Manchmal, wenn die Kopfschmerzen kamen, brachten sie mehr als nur Schmerzen. Stahlen ihm mehr als seine Kraft. Sie brachten auch Verwirrung. Wie Diebe stahlen sie Stunden und die jüngsten Teile seines Lebens, schnitten ihn auch noch von dem Wenigen ab, was seine Existenz ausmachte.
    Er starrte an die rissige Decke seines Hotelzimmers und versuchte, sich zu erinnern … an alles. Er hatte heute Kopfschmerzen gehabt. Jedenfalls glaubte er, dass es heute gewesen war. Es muss heute gewesen sein … am späten Nachmittag. Vielleicht.
    Er rieb sich die Schläfen. Schloss die Augen und versuchte, sich zu erinnern. Er hatte einen Tagesjob gehabt … ja. Mit der Gärtner-Truppe von Jupiter. Das war eine der wenigen Arbeiten, die ihm zur Verfügung standen.

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