Wer den Tod begruesst
Keine Papiere nötig. Keine Fragen. Barzahlung.
Er hatte Palmen beschnitten. Und es war tagsüber gewesen.
Aber jetzt war es dunkel. Er war in seinem Zimmer. Lag auf dem Bett und roch nach feuchtem Schweiß. Und er hatte keine Ahnung, wie er da hingekommen war.
Die Tür wurde geöffnet.
Er schoss hoch, sein Herzschlag raste.
Mary.
Er atmete aus. Entweder aus Erleichterung oder weil er sie duldete, er war sich da nicht sicher. Es spielte keine Rolle. Es war ihm egal.
Er hatte ihr einen Zweitschlüssel gegeben. Weil sie ihn darum gebeten hatte, nahm er an. Weil ihn sonst niemand um etwas bat. Niemand gab ihm etwas. Außer ihr.
Aber sogar Mary tat es nicht umsonst.
»Baby. Was ist los?« Besorgt blickte sie ihn an, als sie auf ihn zuging und ihre Handtasche beiseite warf. »Oh John.« Ihre Hände zitterten, als sie ihn berührte. Sein Gesicht streichelte. Ihm beruhigend durch das feuchte Haar strich. Da, wo er saß. Allein. Und durch ein Labyrinth der Leere driftete. »Ist ja gut. Ist ja gut. Alles wird wieder gut.«
Sie drückte sein Gesicht an ihre Brüste.
Wärme. Leben. Wirklichkeit. Zu wirklich für ihn im Moment.
Er zitterte auch, als er sie wegschob.
Sie klammerte sich an ihn. Bedürftig. Klebrig.
»Tu mir weh«, wisperte sie und stieß ihn aufs Bett. Setzte sich auf ihn.
Ihre Finger zitterten, als sie seinen Reißverschluss öffnete, ihn mit den Händen umschloss, ihren weichen, geschickten Händen, und ihn anflehte, sie dafür zu bestrafen, dass sie nicht alles war, was er brauchte.
Hinterher weinte sie.
Er rollte weg von ihr, starrte teilnahmslos auf den Nachttisch und das Streichholzbriefchen, das da lag. Er konnte sich nicht erinnern, es vorher schon bemerkt zu haben. Oder es dort hingelegt zu haben. Ganz kurz wunderte er sich über den Namen – Mar-A-Lago – bevor er ihn und Mary verdrängte und in einen unruhigen Schlaf fiel.
11
Nolan trank sein Root Beer aus und warf einen Blick ins Wohnzimmer. Jillian saß barfuß mit angezogenen Knien in ihrem sexy Designerkleid auf dem Sofa.
Sie sah angeschlagen aus. Und unendlich verletzlich. Ganz benommen, so wie Cinderella, die gerade entdeckt hatte, dass ihr Märchenprinz ein brutaler Mörder war.
Er atmete tief durch und widerstand dem Bedürfnis, zu ihr zu gehen und sie in den Arm zu nehmen, was sie offensichtlich gebraucht hätte. Stattdessen öffnete er einen Knopf seines Hemds. Das Jackett und die Fliege hatte er abgelegt, sobald sie einen Fuß ins Penthouse gesetzt hatten. Die Manschettenknöpfe waren ihnen gefolgt, als er seine Ärmel hochgekrempelt hatte und geradewegs zum Kühlschrank gegangen war. Er musste sich dringend den Geschmack dieses Abends wegspülen.
Es war fast Mitternacht. Sie waren seit knapp fünf Minuten in ihrem Penthouse, und sie hatte noch kein Wort gesagt. Das gleiche Schweigen wie zuvor im Wagen während der Rückfahrt füllte den Raum.
Frustriert dachte Nolan an die Sackgassen, in die die Untersuchung im Mar-A-Lago geführt hatte, und tauschte seine Malzbierflasche gegen das Glas Wein, das er gerade für sie eingeschenkt hatte. Er überlegte kurz, ob er es in einem Zug hinunterstürzen oder nach etwas Stärkerem Ausschau halten sollte. Er hatte schon lahmere Ausreden benutzt. Sonnenuntergang. Sonnenaufgang. Selbstmitleid. Ja. Jammerlappen, der er war, hatte er jede Gelegenheit benutzt.
Aber er war hier im Dienst. Und es ging nicht um ihn.
Grimmig marschierte er ins Wohnzimmer und blieb vor dem Sofa stehen. Jillian starrte mit leeren Augen in die Glotze, viel zu konzentriert – besonders wenn man bedachte, dass sie gar nicht eingeschaltet war.
Er hatte diesen Blick schon unzählige Male gesehen. Der starre Blick ins Leere. Es passierte jedem jungen Soldaten nach dem ersten Kampfeinsatz. Immer wenn die betäubende Erkenntnis einsetzte, dass Krieg etwas Hässliches, Tod etwas Reales war und am Ende nur Schicksal und Glück entschieden, ob sie am Leben blieben. Es gefiel ihm nicht, diesen Ausdruck bei ihr zu sehen.
Sie war kein Soldat. Sie hatte sich nicht verpflichtet, den Feind zu bekämpfen. Sie hatte um nichts von dem hier gebeten. Und er war lieber so vorsichtig wie möglich, sonst würde er sich auch noch die geringste Chance bei ihr verbauen, denn was er in diesem Moment für sie empfand, ging weit über berufliches Interesse hinaus. Weit über Mitleid. Er hatte besitzergreifende Gefühle, obgleich er keinerlei Eigentumsrechte besaß. Hatte das dringende Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen, ihren Kopf
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