Wer den Tod begruesst
war, dass sein Leben quasi aus ihm rausgepumpt wurde.
»Ramirez!«
Der Sanitäter war an Nelsons Seite, bevor der zu Boden sank, aber jeder anwesende Ranger wusste, dass der Arzt nichts für ihn tun konnte. So viel Blut konnte nur eins bedeuten: Ein Heckenschütze hatte die Hauptschlagader des Rangers verletzt.
»Mom.« Gurgelnd kam dieses eine Wort zusammen mit dem blubbernden Blut aus Nelsons Mund.
Minuten später hatte sein Herz aufgehört zu schlagen.
In dem Haus stand oder kniete sein Team in verblüfftem Schweigen. Es hätte jeden von ihnen erwischen können … und alle wussten es. jeder Ranger war erleichtert, hatte Schuldgefühle und spürte das überwältigende Gefühl seiner eigenen Sterblichkeit. Und jeder Mann – einige, wie Nelson, fast noch Kinder – dachte an seine Mutter und an zu Hause.
Draußen hörte man die ersten Panzer heranrumpeln, deren Kaliber-fünfzig-Geschütztürme feuerten.
Nolan musste dafür sorgen, dass sie sich verdrückten.
»Raus hier«, befahl er und rüttelte seine Männer auf. »Sofort! Köpfe einziehen! Los geht’s!«
Nolan lag im Dunkeln, die Hände hinter dem Kopf verschränkt.
Er war hellwach. Seit Stunden beobachtete er, wie der Ventilator an der Decke Runde für Runde drehte, während die Nacht wieder und wieder in derselben quälenden Zeitlupe vor ihm ablief. Heute war es die Nacht nördlich von Mossul. In anderen Nächten war es Tikrit. In wieder anderen waren es die finsteren Löcher von Afghanistan.
Er fragte sich, ob es so auch für seinen Vater war. Verdammt, und für Ethan und Dallas. Sie hatten alle genug Kämpfe gesehen in ihrem Leben. Sie sprachen nicht darüber. Keiner tat es.
War es für sie also das Gleiche? Jede Nacht? So regelmäßig wie ein Uhrwerk? Wie ein alter, treuer Gefährte , dachte er zynisch. Die Sonne ging unter. Die Albträume begannen. Und wie praktisch. Er musste nicht mal einschlafen, um sie erneut zu erleben.
Er drehte den Kopf und warf einen Blick auf die Uhr.
Fünfunddreißig Minuten nach vier.
Konnte Nelsons Mutter nach all diesen Monaten auch immer noch nicht schlafen? Und sein Vater? War die Stille in ihren Nächten ebenso laut wie die in seinen Nächten?
Versuchten sie, sich die Todesszene so klar vor Augen zu führen, wie er die roten Ziffern der Digitaluhr neben dem Bett erkennen konnte? Fragten sie sich, wo genau ihr Sohn seinen letzten Atemzug getan hatte? Ob er Schmerzen gehabt hatte? Wer bei ihm gewesen war? Wer von ihnen sein Freund gewesen war? Begriffen sie, dass er ein gut ausgebildeter, gestandener Soldat gewesen war, der einfach nur das Pech gehabt hatte, von einem Heckenschützen erwischt worden zu sein? Ein »Glückstreffer«?
Ob es sie interessierte, dass die Kinder, die in dem Ort lebten, jetzt zur Schule gehen konnten? Dass ihr Sohn gestorben war, damit diese Kinder möglicherweise so erzogen werden konnten, dass sie ihr Land eines Tages ein Stück weit mehr auf den Weg zur Demokratie führen würden? Oder zu heiligen Kriegern mit Hass auf Amerika?
Müde bis auf die Knochen setzte er sich aufrecht hin. Müde der Kriege, die er geführt hatte. Müde der Toten, die er gesehen hatte. Müde der Notwendigkeit des Ganzen. Und der Notwendigkeit, dass Jungs wie Nelson im Namen der Freiheit ihr Leben lassen mussten.
Die Füße auf dem Boden, die Ellbogen auf die Knie gestützt, fuhr er sich mit den Händen durchs Haar und unterdrückte den starken Impuls, Sara anzurufen. Sara … deren Ehemann zurückgekehrt war aus dem Irak. Und dennoch gestorben war.
Nelsons Tod quälte ihn. Wie auch die der anderen. Steubbing. Gonzalez. Tapfere Männer, die das getan hatten, woran sie glaubten. Tapfere Männer unter seinem Kommando. Soldaten, die er so gut vorbereitet hatte, wie er es nur konnte. Obgleich er um sie trauerte, hatte er sie doch nicht retten können. Krieg war schließlich Krieg.
Will war eine andere Geschichte.
Will war auch Soldat gewesen. Er hatte den Irak überlebt und war heimgekehrt.
Nolan hätte es kommen sehen müssen. Er hatte gewusst, dass Will gefährdet war. Sogar noch nach der Heimkehr nach Fort Benning hatte er diesen Blick gehabt. Diese funkelnde Intensität darin. Die, die einen guten Soldaten aus ihm machte, der so lange trainierte, bis er instinktiv reagierte. Entgangen war ihm aber, dass Will diese intensive Spannung auch zu Hause nicht abgelegt hatte.
»Weißt du, was mich aufregt?«, hatte Will sowohl zu sich selbst als auch zu Nolan gesagt, als sie den zweiten Tag wieder in den
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