Wer den Tod begruesst
erstarrt.
Verwüstet gab das, was hier geschehen war, nicht annähernd wieder. Vernichtet. Geschändet. Viele ähnliche Wörter fielen ihm ein. Aber eines hämmerte auf ihn ein, stand über allen anderen: Hass.
Wer immer das getan hatte, hasste Jillian mit einer Leidenschaft, die an Wahnsinn grenzte.
Ecke Okeechobee und Sapodilla sog Mary in ihrem geparkten Wagen die wohlriechende Nachtluft tief in sich ein und versuchte, ihr hämmerndes Herz zu beruhigen.
Was für ein Gefühlssturm … das zu zerstören, was Jillian gehörte. Es vereitelt zu haben, dass sie errät, wer es getan hat.
Weinte sie jetzt?
Starb sie gerade jetzt ein wenig vor Angst, vor Entsetzen?
Fühlte sie sich schrecklich allein?
Mary wusste alles übers Alleinsein. Bleischwer lastete plötzlich das Gewicht des Alleinseins auf ihr.
Sie legte den Kopf auf das Lenkrad.
Und dann schluchzte sie.
Über die kleine Schwester, die sie verloren hatte.
Über den Trost, den sie nie genossen hatte.
Über die Schmerzen, die ihre Mutter ihr zugefügt hatte, wenn Mary die Einzige war, an der sie ihren Zorn auslassen konnte.
Sie hob den Kopf. Trocknete sich die Augen. Dann fuhr sie davon in die Nacht.
Bald würde sie nicht mehr weinen müssen.
19
Sie war still. Zu still, dachte Nolan, als er Jillian durch das Labyrinth der Docks zum Ankerplatz der EDEN führte. Auf der Fahrt dorthin hatte sie ihn nicht einmal gefragt, wohin er sie brachte oder warum er sie dorthin brachte.
Andererseits, was hieß schon zu still, wenn ein Teil deines Lebens – dein Heim, dein Zufluchtsort – gerade gewaltsam zerstört worden war?
Es war Vollmond, und die geschützten Ankerplätze entlang des zwischen den Küsten gelegenen Wasserwegs waren ruhig bis auf das sanfte Lecken des Salzwassers am Fiberglasrumpf der EDEN, die dort zusammen mit ungefähr hundert weiteren Schiffen beinahe bewegungslos lag. Meeresgeruch erfüllte die Luft. Eine sanfte Brise fühlte sich warm an auf der Haut und bewegte kaum Jillians Haar. Und dennoch spürte er, wie sie zitterte, als er ihren Ellbogen ergriff, um sie festzuhalten.
»Passen Sie auf, wo Sie hintreten«, warnte er, befestigte die Gangway an der EDEN und half ihr an Bord.
Der ursprüngliche Plan, nachdem die Polizei sie entlassen hatte, war, sie zu ihrem Vater nach Golden Palms zu bringen. Als er ihr dies mitgeteilt hatte, hatte sie das einzige Wort nach dem Gemetzel in ihrem Penthouse gesprochen.
»Nein.«
Er hätte auf sie einreden können, aber er verstand es. Nach dem sonntäglichen Lunch mit ihren Eltern war ihm glasklar, warum sie dort keinen Frieden finden konnte. Ihm war kein anderer Ort als dieser hier eingefallen, wo sie sicher genug wäre – und er musste sie weit weg vom Penthouse und von dem Gefühl bringen, wie unglaublich stark jemand ihren Tod wollte.
Er hatte Kincaid auf der Fahrt hierher angerufen und ihn über den Einbruch informiert. Bevor Kincaid irgendwelche Anweisungen geben konnte, teilte Nolan ihm mit, dass Jillian für diese Nacht sicher untergebracht sei, aber incommunicado. Dann hatte er das Gespräch abgebrochen und das Handy ausgeschaltet. Er nahm stark an, dass er am nächsten Tag seinen Job verlieren würde, aber bis dahin hätte sie wenigstens etwas Ruhe gehabt.
Er ging mit ihr über das seitliche Deck, duckte sich unter die Abdeckung des Achterdecks und schloss mit seinem Schlüssel die Schiebetür auf, die zur Hauptkajüte führte.
»Fünf Stufen nach unten.« Er half ihr die Stufen des Niedergangs hinunter. »Die letzte Stufe ist ein wenig höher als die anderen. In Ordnung. Bleiben Sie bitte eine Sekunde so stehen, ich mache uns Licht.«
Nicht dass er diesen Ort gern beleuchten wollte. Wenn ihn seine Erinnerung nicht trog, hatte er ihn in einem schrecklichen Zustand zurückgelassen. Pausenlose Saufgelage waren keine saubere Angelegenheit. Als er den Schalter der Tischlampe neben dem L-förmigen Sofa anknipste, konnte er seine Überraschung nicht verhehlen. »Heiliger Strohsack.«
Der Platz war makellos aufgeräumt. Keine herumliegenden Zeitungen. Keine leeren Schnapsflaschen oder Kartons mit halb verzehrtem Essen oder der Gestank von beidem. Die weißen Vorhänge vor den glänzenden Salonfenstern waren ordentlich zurückgezogen. Die blauen Kissen auf dem weiß gepolsterten Sofa waren ordentlich aufgeschüttelt. Kein Staub bedeckte die teakgetäfelte Wand oder den eingebauten Tisch in der Kombüse. Der Teppich war gesaugt.
Wenn er es recht bedachte, war das Achterdeck auch in
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