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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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jedem in Corrigan, in Australien oder auf der ganzen Welt davon erzählen und ein Stück abgeben würde.
    Doch das geht sowieso nicht. Es ist fest in mir verschlossen. Nicht weil ich Jeffrey nicht vertraue, sondern weil Jasper
mir
vertraut. Es ist eine seltsame Zerreißprobe meiner Loyalität. Mir ist klar, dass ich nicht das Geringste preisgeben darf.
    Plötzlich schnippt Jeffrey mit den Fingern und deutet auf mich.
    «Okay, ich hab einen.» Er breitet die Arme aus und zeigt mir in einer theatralischen Geste die Handflächen, wie er es immer tut, wenn er einen Witz erzählt. «Warum heißen Piraten Piraten?»
    Ich schaue ihn ratlos an.
    «Weil sie immer aahrrr machen!»
    Er schüttet sich aus vor Lachen, erstickt fast daran und hört nur auf, weil er husten muss.
    «Jeffrey, das ist der schlechteste Witz aller Zeiten. Das ist mein Ernst. Der
allerschlechteste

    «Ach, komm schon, Chuck! Nun bist du aber baarrrsch!»
    Jetzt muss ich ebenfalls lachen, ich kann nicht anders.
    «Nein, wirklich, hör auf. Der ist grottenschlecht.»
    «Niemals! Den darfst du nicht für dich behalten. Erzähle ihn Eliza Wishaarrrt.»
    «Jeffrey, ich halte dir gleich eine nicht hypothetische Pistole an den Kopf. Wenn es sein muss, bringe ich dich um. Ich schwöre es.»
    «Pfff! Das bringst du nicht fertig. Nicht bei meinem hübschen Gesicht.»

    Wir bleiben in Jeffreys Wohnzimmer, bis die Übertragung zu Ende ist. Obwohl an diesem Nachmittag nicht die geringste Aussicht auf eine Fortsetzung des Spiels besteht, will Jeffrey nicht riskieren, irgendetwas zu verpassen.
    Er fügt mir beim Ludospielen eine vernichtende Niederlage zu, und ich spiele ihn bei Scrabble an die Wand. Achselzuckend sagt er: «Meine Inglisch is nix gut.»
    Langsam werden wir unruhig. Jeffrey schlägt vor, zum Cricketplatz zu gehen. Ich würde lieber drinnen bleiben und weiter in seinem Wohnzimmer herumblödeln, aber da besteht keine Chance, das weiß ich. Jeffrey scheucht mich nach draußen, als würden wir vor einem Feuer flüchten. «Ma! Wir gehen in die Scheißstadt und spielen ein bisschen Cricket!», ruft er über die Schulter.
    Wir warten.
    «Jeffrey! Hörst du? Warte!», ruft seine Mutter streng. Ich entdecke einen Anflug von Panik in Jeffreys Gesicht, als seine Mutter durch den Flur gerauscht kommt. Doch sie hält uns lediglich zwei Thermosflaschen mit kaltem Wasser hin und schließt dann lächelnd die Tür.
    «Du hättest dein Gesicht sehen sollen!», sage ich.
    Er lacht, als wir auf die Straße hinausrennen.

    Jeffrey spielt mit einem glänzend roten Ball, während wir in den Ort hinablaufen; er wirft ihn aus dem Handgelenk an und lässt ihn durch die Luft schnellen, dass die dicke Naht nur noch als verschwommener Schatten zu sehen ist.
    Ich habe im Grunde nichts gegen Cricket, aber es braucht schon eine bestimmte pathologische Disposition, um sich diesem Sport mit der Hingabe zu widmen, die Jeffrey an den Tag legt. Vielleicht liegt es daran, dass ich darin eine Niete bin. Ich spiele wirklich schlecht. Natürlich hat sich der Umstand, dass mir von Geburt an jeder Mut abging, als gewaltiges Hindernis erwiesen, doch der Hauptgrund liegt in der Tatsache, dass meine Glieder noch nie das getan haben, was ich von ihnen erwarte. Es ist, als würden sie von einem gehässigen Puppenspieler gelenkt.
    Jeffrey Lu dagegen ist unglaublich. Seine Fähigkeiten sind so beeindruckend, dass ich nicht einmal neidisch bin. Es ist verblüffend, was er mit diesem roten Stein in der Hand alles fertigbringt. Wirklich. Außerdem ist er ein hervorragender Schlagmann, kompakt und kraftvoll. Obwohl er kaum größer ist als ein Gartenzwerg, kann er durchaus einschüchternd wirken. Mit Schienbeinschützern und Cricketschläger in der Hand wirkt er nur noch halb so freundlich. Er ist wie ein Tier, aggressiv und konzentriert. Oder wie ein schwertschwingender Superheld. Wenn er ganz bei der Sache ist, hat man keine Chance, den Ball richtig zu platzieren.
    Zugegeben, ich bin kein großer Gegner für Jeffrey, aber ich glaube, wenn er jemals die Chance hätte, bei einem richtigen Spiel mitzumachen, würde er sich großartig schlagen.
    Wir gehen langsam und bleiben immer im Schatten. Es ist bereits später Nachmittag, trotzdem ist es nach wie vor irrsinnig drückend. Die träge Hitze scheint sich von allen Seiten auf einen zu legen. Jeffrey ist unter seiner riesigen Crickettasche kaum zu sehen.
    «Ich habe nachgedacht, weißt du», sagt er, fängt den Ball auf und hält den Zeigefinger in die

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