Wer hat Angst vor Jasper Jones?
nicht vorwärts. Er ist reglos, trocken, unnütz. Ich starre auf das Blatt.
Als ich ein Geräusch zu hören meine, springe ich aufs Bett und spähe durch die Lamellen. Ich zische Jaspers Namen. Nichts.
Also setze ich mich wieder hin. Putze meine Brille. Klopfe mit dem Stift gegen die Lampe. Immer noch nichts. Das Merkwürdige ist, dass ich vor Worten fast überquelle. Sie sind wie ein Schwarm in meinem Kopf, ich kann sie nur nicht ordnen. Sie schwirren herum und weichen mir aus wie heimtückische Insekten. Quälend und laut und sinnlos.
Seufzend werfe ich den Stift hin und stütze das Kinn in die Hand.
Ich muss Jasper Jones treffen. Bald. Es ist nicht richtig, all das mit mir selbst auszumachen. Laura Wishart ist tot. Und wir haben sie versenkt. In einem Wasserloch. Wir haben sie an einen Stein gebunden. Das waren wir.
Ehe ich Jasper nicht getroffen habe, kann ich nicht einmal anfangen, dem Ganzen einen Sinn abzugewinnen. Ich muss mit ihm über die Wahrscheinlichkeiten, die Eventualitäten, die Strategien und Probleme reden, die mir in Kopf und Magen brodeln. Es ist, als hätte ich ein tragisches Buch auf der letzten Seite angefangen und müsste versuchen, die Lücken aufzufüllen und das aufzuschreiben, was vorher geschehen ist. Doch ich kann nicht. Nicht ohne Jasper. Nicht ohne die Wahrheit. Es gibt einfach zu viel, was ich nicht weiß.
Plötzlich verziehe ich das Gesicht und umklammere meinen Bauch. Ich stürme aus dem Zimmer und lande auf der Toilette, unmittelbar bevor mein Arsch etwas Faules, Flüssiges von sich gibt. Und da ist eine Motte. Genau da. An der Decke. Ein riesiges Vieh, so groß wie ein Vogel. Beißen die? Ich schließe die Augen und bilde mir ein, sie wäre nicht da.
Was sollen wir tun, wenn wirklich jemand mit Informationen aufwartet? Es ist kaum vorstellbar, aber was ist, wenn jemand tatsächlich beabsichtigt, den Verdacht auf Jasper zu lenken? Wenn uns jemand gesehen hat? Wenn Mad Jack Lionel zur Polizei geht, erzählt, wo Laura ist, und dann ist sie verschwunden? Was passiert dann mit uns? Wie tief stecken wir in der Patsche? Wird Jasper zu seinem Wort stehen? Wäre ich trotzdem noch sicher?
Die Motte umschwärmt die Kugellampe über mir und wirft merkwürdige, bizarre Schatten. Sie ist riesig, absolut gigantisch. Wahrscheinlich hat sie Reißzähne. Sie könnte eine ganze Ratte auf einmal verschlingen. Am Amazonas gibt es Tausendfüßler, die Fledermäuse fressen. Sie hängen in Höhlen von der Decke und schnappen sie sich, wenn sie vorbeifliegen. Ich knirsche mit den Zähnen und wende mich ab, während weitere Säure aus mir herausspritzt.
Warum wurde bis jetzt nichts gemeldet? Machen die Wisharts sich keine Sorgen? Sie ist die Tochter eines hohen Tieres und einer Oberschichtmutter; wo sind die Suchmannschaften und die Zeitungsreporter? Ich lege die Stirn in die Hand. Es ist diese glühende Anspannung, die ich nicht ertrage. Der schlafende Riese. Die tickende Bombe.
Ich verziehe mich wieder in mein Zimmer. Kontrolliere abermals mein Fenster.
Ich kippe meine Kaffeeplörre hinunter, was mich ein bisschen aufpeppt. Dann versuche ich es wieder mit
Knallkopf Wilson
. Ich zwinge mich, den Worten zu folgen, und spähe zwischendurch immer wieder aus dem Fenster.
Am Anfang des zwölfen Kapitels lässt mich etwas stocken. Ein Satz aus Knallkopf Wilsons Kalender: «Mut haben bedeutet der Furcht widerstehen, sie beherrschen – nicht, keine Furcht haben.» In meinem Kopf macht es klick. Genau das hatte ich Jeffrey über Superman sagen wollen. Ich wünschte, er wäre hier. Dann würde ich das Zitat herumschwenken wie eine rote Fahne.
Ich fahre mit dem Daumen über die Worte. Vielleicht hatte mein Vater doch recht damit, dass Mark Twain zu allem etwas Kluges zu sagen hat.
Ich hocke mich an den Schreibtisch und notiere mir die Worte. Dann schreibe ich unter sie und um sie herum, wobei ich den Block mit der angewinkelten Hand abschirme wie in der Schule. Ich mache weiter und finde einen Rhythmus. Es fühlt sich gut an.
Ich glaube, dass es für mich schwieriger ist als für andere, mutig zu sein. Es ist schwieriger für mich, tief durchzuatmen und sich jemandem mit geballten Fäusten entgegenzustellen. Je weniger Fleisch man auf den Rippen und je mehr Grips man hat, desto gefährdeter ist man, verdroschen zu werden, und desto mehr hält einen zurück. Je weniger man auf die Waage bringt, desto öfter muss man nach oben schlagen. Und je mehr man zu verteidigen hat, desto schwieriger ist es,
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