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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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tot. Es wird nur noch wenige Stunden dauern, bis man sie als vermisst meldet, wenn es nicht bereits geschehen ist. Und man wird sie nicht finden. Es sei denn, jemand gesteht. Es sei denn, Mad Jack Lionel geht in die Stadt und lässt sich Handschellen anlegen. Also wie wird es weitergehen? Wir haben Jasper Jones ein wenig Zeit verschafft. Aber wie viel? Wie lange wird es dauern, bis sie aufgeben? Wie weit werden sie die Suche ausdehnen? Und wie gründlich werden sie suchen?
    Was ich wirklich überhaupt nicht begreife, ist, wie es geschehen konnte. Wie jemand so etwas tun konnte. Wie jemand ein Mädchen in den Busch schleppen, zusammenschlagen und im Nachthemd an einem kahlen Ast aufhängen konnte. Wie sie ihr beim Sterben zusehen und sie dort hängen lassen konnten. Wie haben sie das nur fertiggebracht? Ich fange eine Stechmücke vor meinem Gesicht und wische sie an meinen Shorts ab. Ich schaudere. Sie sind überall. Ich hasse Insekten.
    Laura Wishart ist tot. Ich habe ihren warmen Körper berührt, und sie hat mich mit Angst und Verzweiflung bestraft. Ich kann nur hoffen, dass man sie nicht findet, bevor wir auf die Wahrheit stoßen.
    Jeffrey schaut über die Pitch. Es macht sich niemand zum Anlauf bereit. Einer der anderen Bowler gibt ihm ein Zeichen. Jeffrey lächelt. Er dreht sich um, will losgehen und bowlen. Doch sobald er den ersten Schritt macht, zieht ihm jemand von hinten blitzschnell die weißen Shorts bis zu den Fußknöcheln herab. Er fällt hin, und zwar heftig. Wieder brüllen die anderen los vor Lachen. Der Trainer schnauft. Der Ball springt über die Pitch. Jeffrey steht auf und zieht sich die Shorts über seinen kleinen Hintern, der aussieht wie eine beigefarbene Pflaume.
    Inzwischen hat der Schlagmann den Ball eingefangen. Er dreht sich um und drischt ihn hoch und weit über die rückwärtigen Netze, auf ein brachliegendes Gelände voller Bäume und Büsche. Ein gewaltiger Wurf. Der Ball ist verloren. Jeffrey sieht ihn davonfliegen und es bricht mir fast das Herz, denn der Ball war ein Geburtstagsgeschenk, auf das er monatelang hingefiebert hat.
    Mit gerunzelter Stirn und bebenden Nasenflügeln sehe ich Jeffrey zu seiner Tasche gehen, um der Sache ein Ende zu bereiten. Sehe ich, wie sie ihm die Haare zerzausen und ihn anrempeln.
    Und ich beobachte das Trainerschwein. Wie er dasteht, sich immer wieder an den Schwanz packt und sich von einer Seite zur anderen wiegt. Wie er mit seinen trägen dunklen Nageraugen das grobschlächtige Pack betrachtet. Wie er seine Zigarette zwischen den Stummelfingern dreht. Und ich denke: Wenn er das hier mit einem Grinsen im Gesicht betrachten kann, was kann er noch alles mit ansehen? Welchen Grausamkeiten kann er noch zusehen, ohne einzugreifen?
    Ich beiße mir von innen in die Wange, und mein Gesicht glüht. Ich wende die Augen ab. Auch auf Jeffrey bin ich ein bisschen böse, weil er sich überhaupt unter sie gemischt und dafür gesorgt hat, dass ich mich so fühle. Ich muss heftig blinzeln.
    Jeffrey wirkt ungerührt, so als wäre er nach einer fairen Behandlung einfach ausgeschieden. Selbst als er sich die Crickettasche umhängt, schleudern sie ihm noch Schimpfworte hinterher, aber ich will mir das nicht länger anhören. Ich will nur noch weg. Jeffrey kommt auf mich zu. Er hat Grashalme im Haar.
    Er geht mit gesenktem Kopf, doch als er näher kommt, hebt er das Gesicht, und ein Lächeln breitet sich darauf aus.
    «Hast du den ersten Ball gesehen? Wie er reingedriftet ist und sich gedreht hat? Zack!, haut er das Holz vom Stump. Herzlichen Dank.» Er spreizt die Finger, als wäre der Ball auf der Pitch regelrecht explodiert.
    «Stimmt. Der war nicht schlecht», bestätige ich, weil es sich gut und provokant anfühlt.
    «Nicht schlecht? Er war der Hammer, Chuck. Der vorletzte Typ hat den Drive schön nach draußen befördert. Aber ich habe einen Deep Point an der Linie stehen, also kann nichts passieren.»
    «Ich wette, im Kopf hast du jede Menge Feldspieler auf der rechten Position, sobald sie den Ball geschlagen haben.» Ich gebe mir Mühe, immer weiterzureden und ihn abzulenken.
    «Wenn du auch nur die leiseste Ahnung vom Spiel hättest, Charles, dann wüsstest du, dass man jemanden auf der Deep-Point-Position braucht. Das ist elementar. Wenn du sie auf dem falschen Fuß erwischen willst, musst du sie zum Drive verleiten. Und dann, zack!, trifft sie der Ball am Körper. Oder du servierst ihn flach, und es erwischt den Schlagmann an den Slips.» Jeffrey vollführt

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