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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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Vergehen. Wenn nicht sogar mein einziges. Und wenn man mich erwischen würde, wäre ich vermutlich der einzige Junge in Corrigan, der mit Fug und Recht behaupten könnte, von Jasper Jones auf Abwege geführt worden zu sein.
    Jasper wird schneller. Die Zweige und Sträucher federn mit größerer Wucht zurück. Ein Adlerfarn hat mir den Arm aufgekratzt. Ich beklage mich nicht. Passe einfach mein Tempo an. Unsere Füße marschieren im gleichen zackig-militärischen Rhythmus. Ich schwitze.
    Dann bleibt Jasper stehen.
    Genau hier. Am Fuß eines riesigen, uralten Jarrah-Baums. Sein Umfang ist gewaltig. Ich starre hinauf, um zu sehen, wie hoch er in den Himmel ragt, und spüre meinen Puls in den Schläfen hämmern. Ich keuche und muss mir die Brille putzen. Als ich den Kopf wieder senke, merke ich, dass Jasper Jones mich anstarrt. Ich kann seine Miene nicht deuten. Es ist, als wäre er kurz davor, von etwas sehr Hohem herunterzuspringen. Ich wende den Kopf ab und habe plötzlich Angst. Eine schreckliche Vorahnung verdrängt meine Anspannung. Irgendetwas stimmt nicht. Es ist etwas passiert. Ich will weglaufen, ich will nicht mehr hier sein.
    Er deutet auf einen Vorhang aus Akazienzweigen links neben dem gewaltigen Baum.
    «Dahinter ist es», sagte er.
    «Was?
Was
ist dahinter?»
    «Das wirst du schon sehen, Charlie. Ach, Scheiße. Du wirst es sofort bereuen, wenn du’s siehst. Noch isses nicht zu spät. Bist du sicher, dass du mir helfen wirst?»
    «Kannst du es mir nicht einfach
sagen
? Was ist los? Was ist dahinter?»
    «Ich kann nicht. Ich kann’s einfach nicht, Kumpel. Aber ich vertrau dir, Charlie. Ich denke, ich kann dir vertrauen.»
    Das ist keine Frage, auch wenn es den Anschein hat.
    Ich glaube, bei jedem anderen hätte ich gekniffen und auf der Stelle kehrtgemacht. Ich hätte nie den Kopf gesenkt und mich durch die Akazienzweige gezwängt, hätte die gelben kugelförmigen Blüten nicht abgeschüttelt, die sich wie Konfetti in meinem Haar verteilten. Ich hätte nie an den rauen Stamm gefasst, um nicht ins Stolpern zu geraten, und nie die Blätterranken beiseitegeschoben. Ich hätte nie den Kopf gehoben, um diese schöne Lichtung zu betrachten. Und ich hätte nie an Jasper Jones vorbeigeschaut, um sein Geheimnis zu entdecken.
    Aber ich mache nicht kehrt. Ich bleibe und folge Jasper.
    Und ich sehe es.
    Und mit einem Mal wird alles anders.
    Die Welt bebt, dreht sich im Kreis und zerbricht.
    Ich schreie, aber die Schreie klingen gedämpft. Ich kriege keine Luft mehr. Es ist, als wäre ich unter Wasser, taub und am Ertrinken. Jasper Jones hält mir den Mund zu und zieht mich mit der anderen Hand an sich. Meine Hüften drängen zurück, zurück, zurück, weg von hier, aber meine Füße sind auf der Lichtung festgewachsen. Zum Glück füllen sich meine Augen mit Tränen, die alles verschwimmen lassen, bis ich sie fortblinzle. Und wieder sehe ich es vor mir. Jasper hält mich eisern fest. Er umfasst meinen schmächtigen Körper mit Leichtigkeit. Es ist grauenhaft. Zu grauenhaft, um es in Worte zu fassen.
    Es ist ein Mädchen.
    Ein Mädchen in einem schmutzigen cremefarbenen Spitzennachthemd. Sie ist blass. Im Silberlicht sehe ich, dass ihre Arme voller Kratzer sind. Und ihre Waden. Ihr Gesicht ist schmutzig, voller blauer Flecken und Blut. Und sie hängt an einem dicken Seil, das am Ast eines Silbereukalyptus befestigt ist. Sie rührt sich nicht. Ist ganz schlaff. Ihre Füße sind nackt und nach innen gedreht. Ihr langes Haar ist unter der Schlinge eingeklemmt. Ihr Kopf baumelt zur Seite wie auf einem biblischen Gemälde. Sie sieht enttäuscht und traurig aus. Ergeben.
    Ich kann nicht wegsehen, Jasper nicht hinsehen. Mit dem Rücken zum Mädchen hält er mich fest, fängt meine Bewegungen ab, bis ich stillhalte. Mein Atem geht schnell und zittrig. Ich verstehe das nicht. Er hat es
gewusst
. Er hat es gewusst und mich hierhergebracht. Damit ich ein Mädchen an einem Baum hängen sehe. Sie ist tot. Gestorben. Jasper lässt meine Schulter los, als ich anfange zu sprechen. Ich kann mich kaum auf den Füßen halten.
    «Wer ist das?»
    Jasper Jones braucht eine Weile, um zu antworten.
    «Laura Wishart. Das ist Laura.»
    Ich brauche einen Moment.
    «O Gott. O Gott. Das ist sie. Sie ist es
wirklich

    «Ja», sagte Jasper leise. Jetzt betrachtet er sie. Aus den Augenwinkeln sehe ich ihn sacht den Kopf schütteln. Er wirkt mit einem Mal so mager. Und krumm. Wie ein kleiner Junge. Ich bin völlig durcheinander. Alles erscheint

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