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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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mir verzögert und traumartig. Ganz im Ernst. Als wäre ich nicht wirklich hier und das hier würde nicht passieren. Es ist alles bloß eine Erscheinung. Ich bin entrückt. Schaue von außerhalb meines Körpers zu und sehe alles auf einem Bildschirm.
    «Tut mir leid, Charlie. Tut mir wirklich leid, Kumpel. Aber ich weiß nicht, was ich machen soll.»
    Ich umklammere meine Ellbogen. Wende mich Jasper zu.
    «Warum hast du mich hergebracht? Ich sollte nicht hier sein. Ich muss nach Hause. Du musst jemandem davon erzählen.»
    «Warte, Charlie, noch nicht. Noch nicht.» Seine Bitte ist inständig. Wir verstummen.
    «Warum hat sie das gemacht? Was ist …? Ich meine,
was
? Ich verstehe das nicht. Was ist passiert?» Ich flüstere fast.
    «Das hat sie nicht gemacht. Nicht selber, meine ich. Das war sie nicht.»
    «Wie meinst du das?»
    «Ich meine, dass sie’s nicht selber gemacht haben kann, Charlie.»
    «Was? Warum nicht?»
    «Sie kann’s nicht gewesen sein. Sieh bloß mal das Seil an. Siehst du? Es ist meins. Mein Seil. Ich nehme es, um mich daran in den Stausee zu schwingen. Da, siehst du? Aber hinterher versteck ich es immer. Ich lege es ganz oben über den Ast, damit es keiner sieht.»
    Jasper redet schnell. Zu schnell, um mitzukommen. Zum ersten Mal schaue ich mich in der Umgebung um. Hinter dem Eukalyptusbaum, der unten breit und hohl ist wie ein offenstehendes Zelt, befindet sich ein kleiner Wassertümpel. Die Fläche davor, auf der wir jetzt stehen, liegt komplett frei und ist von hohen Sträuchern und Bäumen umgeben. Eine seltsame kleine Enklave. Sie könnte bei Tag etwas Besonderes und Wunderbares sein, stelle ich mir vor. Eine ruhige Oase im Busch. Aber im Moment wirkt sie düster und beklemmend. Ich muss fort. Ich kann nicht hierbleiben. Laura Wishart ist gestorben. Und sie ist hier. Ich kann gar nicht hinsehen.
    Der Eukalyptus ragt mehr als viereinhalb Meter in die Höhe, ehe der dicke Ast abzweigt, an dem das Seil befestigt ist. Bis auf einen großen schwarzen Astknoten auf halber Höhe gibt es weder Griffe noch Tritte.
    «Außerdem ist es scheißschwer, dort hochzukommen», fährt Jasper fort. «Man muss sich regelrecht mit den Schienbeinen hochschieben. Wie bei diesen Palmen, weißt du? Laura hätte da nie hochklettern und es selber abwickeln können. Nie im Leben.»
    «Was ist mit einem Stock oder so was? Vielleicht hat es sich auch von selbst gelockert. Im Wind. Keine Ahnung.»
    «Ich seh hier keine Stöcke, Charlie, du vielleicht? Und windig ist es auch nicht. Außerdem kann es sich nicht gelockert haben, weil ich es immer um den Ast wickle und festzurre. Ich will nämlich nicht, dass jemand was von dem Platz hier mitkriegt.»
    Ich nicke benommen. Kann nicht richtig denken.
    Wieder wird es still.
    «Und was willst du damit sagen? Was
bedeutet
das?»
    «Hör mir doch zu, Charlie. Ich will damit sagen, dass sie’s nicht selber gemacht hat.»
    «Und wer war es dann?», frage ich, ehe ich, urplötzlich von kaltem Grauen und Furcht erfüllt, vor ihm zurückweiche. Ich ersticke bald an dem Wort:
    «Du?»
    Er dreht sich zu mir um, und sein Blick ist voller Verblüffung und Verachtung. Dann schüttelt er ungeduldig den Kopf und reckt das Kinn.
    «Was? Verdammt noch mal, Charlie. Ich dachte, du hättest was auf dem Kasten, Mann. Du glaubst, dass ich das war? Ist das dein Ernst?»
    «Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht.»
    Und das stimmt. Ich weiß es wirklich nicht. Ich fühle mich einfach nur krank und sehr müde. Ich will hier weg.
    Kopfschüttelnd dreht Jasper sich wieder zu mir um und spuckt aus.
    «Hör mal, Charlie. Ich muss dir was erklären. Der Platz hier, diese Lichtung, gehört praktisch mir. Ich bin zwar nicht der Einzige, der jemals hier war, aber ich bin der Einzige, der weiß, wie man herkommt. Es ist noch nie einer ohne mich hier gewesen. Noch nie. Jedenfalls bis jetzt. Bis heute Nacht. Hier bin ich nämlich die meiste Zeit. Ich schlafe hier und esse hier, wenn ich nicht zu Hause bin. Das hier
ist
sozusagen mein Zuhause. Verstehst du?»
    Er hält inne, um sich am Hinterkopf zu kratzen und sich mit dem Arm über die Stirn zu wischen. Er räuspert sich.
    «Jedenfalls komme ich heute Abend hierher. Und das Erste, was ich sehe …», Jasper verstummt, scharrt mit den Füßen und fährt mit belegter Stimme fort: «Verdammte Scheiße, das Erste, was ich sehe, ist sie da oben. Ich hab Laura sofort erkannt. Bin hingerannt, hab ihre Beine gepackt und versucht, sie

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