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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Borwin Bandelow
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können.
    Reverend Jones redete am Tag im Durchschnitt sechs Stunden, wobei seine Reden im Lager über Lautsprecher verbreitet wurden. Wenn er erregt war, redete er ohne Ende, während wir arbeiteten oder versuchten zu schlafen.
    Wir mussten täglich elf Stunden auf den Feldern arbeiten, nur am Sonntag waren es sieben Stunden. Wir hatten eine Stunde Zeit für das Mittagessen, die wir hauptsächlich damit verbrachten, zum Essen zu laufen und dort Schlange zu stehen. Es gab Reis zum Frühstück, Reiswassersuppe zum Mittagessen und Reis mit Bohnen zum Abendessen. Nur zwei- bis dreimal pro Woche gab es Gemüse.
    Nur Reverend Jones aß allein und hatte regelmäßige Mahlzeiten. Er hatte einen eigenen Kühlschrank, der immer voll mit Nahrungsmitteln war. Zwei Frauen, die bei ihm wohnten, aßen mit ihm.
    Als Finanzverwalterin war mir bekannt, dass der Tempel durch Sozialversicherungszahlungen für die berenteten Mitglieder jeden Monat 65 000  Dollar erhielt. Nur ein Bruchteil dieses Geldes wurde für die älteren Mitglieder verwendet. Das Geld wurde benutzt, um Gebäude zu bauen, die dem Reverend einen «Platz in der Geschichte» verschaffen sollten.
    Nur wenn Kommissionen der US -Regierung kamen, um das Lager zu inspizieren, wurde das Essen für kurze Zeit besser. Es gab dann auch Musik und Tänze.
    Ständig wurde über den Tod geredet. Am Anfang der Tempelbewegung wurde ab und zu davon gesprochen, dass man für Prinzipien sterben müsse. Später, in Jonestown, wurde das Konzept eines Massensuizids besprochen. Mindestens einmal in der Woche gab es eine «weiße Nacht», wie er es nannte. Die gesamte Bewohnerschaft wurde durch Sirenen geweckt. Bestimmte Personen, insgesamt fünfzig, waren bewaffnet und gingen von Hütte zu Hütte, um sicherzustellen, dass alle antraten. Es wurde verbreitet, dass es im Dschungel von Söldnern nur so wimmele, die uns töten oder foltern würden, wenn sie uns lebendig erwischen würden. Wir mussten uns in einer Reihe aufstellen und erhielten eine rötliche Flüssigkeit, die wir trinken sollten. Man teilte uns mit, dass es sich um Gift handelte. Da das Leben im Lager so unerträglich war, gab es keinen, der sich weigerte. Wenn dann die Zeit kam, dass wir erwarteten, tot umzufallen, erschien der Reverend und sagte, es habe sich nur um einen Loyalitätstest gehandelt, das Gift sei nicht in den Gläsern gewesen. Allerdings komme eines Tages die Zeit, dass wir durch eigene Hand sterben würden.
    Eines Tages schaffte ich es, das Lager zu verlassen. Ich kontaktierte heimlich meine Schwester, die mir ein Flugticket besorgte, und erhielt Hilfe von der amerikanischen Botschaft. Ich hatte dabei große Angst, denn Jones hatte uns eingeredet, er habe Spione in der Botschaft. Ich bin der US -Regierung dankbar, dass sie mir geholfen hat.
    Allerdings sind die Bemühungen der Regierung, die Bedingungen in Jonestown zu untersuchen, inadäquat. Die seltenen Besuche werden vorher angekündigt, sodass alles arrangiert werden kann. Die Tempelmitglieder werden vorher gedrillt, wie sie eventuelle Fragen zu beantworten haben, und berichten nur Gutes, denn sie fürchten um ihr Leben.
    Ich erkläre hiermit, dass das oben Stehende wahr und korrekt ist.
     
    Deborah Layton Blakey
    San Francisco, Kalifornien, 15 . Juni 1978
    Diese Nachricht stammte von einem ehemaligen Mitglied der Sekte «Peoples Temple» («Völkertempel»), geleitet von Jim Jones. [195]
    Jim Jones wurde 1931 in Crete, Indiana, geboren, als Sohn eines Ku-Klux-Klan-Mitglieds, der wegen eines Senfgasangriffs im Ersten Weltkrieg schwer krank war, und einer Gelegenheitsarbeiterin, die bereits nach seiner Geburt überzeugt war, dass Jim der Messias sei.
    Er hatte schon in jungen Jahren eine Neigung zum Predigen. Ein schwarzer Priester, Father Divine, wurde für Jones zum Vorbild. Als Neunzehnjähriger übernahm er eine Stelle als Methodistenprediger, allerdings ohne dafür ausgebildet zu sein. 1956 gründete er in Indianapolis eine eigene Sekte, die er «Peoples Temple» nannte. Sie setzte sich gegen Rassismus und für Frauenrechte ein, verband christliche Elemente und kommunistische Ideen zu einer Art «apostolischem Sozialismus».
    Der gutaussehende Mann mit der sanften, tiefen Stimme war ein charismatischer Mensch – hilfsbereit, sensibel, einfühlsam und humorvoll. Er adoptierte sieben Kinder unterschiedlicher Hautfarbe, um zu demonstrieren, dass Rassengleichheit sein oberstes Anliegen war. Er war ein enthusiastischer Prediger, der vorgab, Verstorbene

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