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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Borwin Bandelow
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«weißen Nacht» wurde ein Pappbecher Flavor-Aid-Limonade an alle Bewohner des Camps ausgegeben. Diesmal war es ernst – der Brausepulver-Drink enthielt neben einem Beruhigungsmittel Zyankali. Wer sich weigerte, wurde von den Wachen mit vorgehaltener Waffe gezwungen, den Schierlingsbecher zu trinken. Jones redete auf seine Gemeinde ein: «Aus Protest gegen die unmenschlichen Bedingungen in dieser Welt begehen wir revolutionären Selbstmord.» Als einige Sektenmitglieder sich dagegen auflehnten und weinten, schallte Jims Stimme über Lautsprecher über die gesamte Anlage: «Hört mit dieser Hysterie auf! Wir müssen in Würde sterben!» [198] Eltern spritzten das Gift ihren Kindern mit Einwegspritzen in den Mund. Innerhalb von fünf Minuten hatten alle Schaum vor dem Mund, verdrehten die Augen und stürzten dann tot zu Boden. Eine Tempelangehörige, Sharon Amos, die gar nicht in der Siedlung war, hörte über das Radio vom Massenselbstmord: Sie schnitt ihren drei Kindern die Kehle durch und erstach sich selbst.
    Später fanden die entsetzten Helfer 914  Tote, darunter 276  Kinder. Wie auf einer Müllhalde weggeworfen lagen die Leichen in Haufen im Dschungel und verbreiteten einen bestialischen Geruch. Liebende lagen eng umschlungen. Mütter hielten die Hände ihrer Kinder. Zwei Drittel der Toten waren Frauen. Alles Leben war ausgelöscht, auch das der Hunde, Fische, Farmtiere und des Camp-Schimpansen Mr. Muggs. Reverend Jones wurde ebenfalls tot aufgefunden – getötet durch einen Schuss aus nächster Nähe in die rechte Schläfe. Es konnte nicht geklärt werden, ob es ein Suizid war oder ob er von jemand anderem ermordet wurde.

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4 . Die Seele des Terrors
    Die Mordthese
    Am Morgen des 18 . Oktober 1977 öffnet ein Vollzugsbeamter eine Zellentür im Stuttgarter Hochsicherheitsgefängnis Stammheim. Der Häftling mit dem dünnen Schnurrbart sitzt auf dem Bett, an die Wand gelehnt, mit einer Schusswaffe in der Rechten. Er ist bewusstlos. In der Schläfe sieht man ein blutiges Loch, aber er lebt und wird in eine Klinik gefahren. Etwa zwei Stunden später verstirbt der Mann, der Jan-Carl Raspe hieß. In den anderen Zellen findet man die bekanntesten deutschen Terroristen – Andreas Baader und Gudrun Ensslin – tot auf. Eine vierte, Irmgard Möller, entdeckt man bewusstlos, mit Stichwunden in der Herzgegend. Sie überlebt nach einer Notoperation. Das offizielle Ergebnis der Ermittlungen lautete, dass sich Baader und Raspe mit Pistolen, die sie in ihren Zellen versteckt hatten, selbst erschossen haben. Ensslin habe sich mit einem Lautsprecherkabel am Fenstergitter erhängt, und Möller habe versucht, sich mit einem eingeschmuggelten Messer ins Herz zu stechen.
     
    Die Geschichte der RAF in Kurzfassung: Alles beginnt 1968 . Zusammen mit Gudrun Ensslin, Horst Söhnlein und Thorwald Proll legt Baader Brandsätze in zwei Frankfurter Kaufhäusern. Es entsteht ein Millionenschaden, aber niemand wird verletzt. Mit diesen Aktionen wollen die jungen Leute gegen den Vietnamkrieg protestieren, aber auch die Masse der linken Studenten aus der Reserve locken, die ihrer Ansicht nach zu viel über Politik schwafelten, ohne «konkrete Aktionen» folgen zu lassen – was immer das heißen mochte. Die Brandstifter werden zu drei Jahren Haft verurteilt.
    Wegen eines Revisionsantrags werden sie vorzeitig entlassen. Baader setzt sich mit Ensslin und Proll nach Frankreich ab. Doch Proll stellt sich, sitzt seine Gefängnisstrafe ab und sagt sich vom Terrorismus los. Baader wird nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik erneut verhaftet.
    Die Journalistin Ulrike Meinhof organisiert zusammen mit Gudrun Ensslin und anderen die Befreiung von Andreas Baader aus dem Gefängnis, bei der es zwei Verletzte gibt. Seit diesem Tag spricht man von der «Baader-Meinhof-Gruppe», die sich selbst «Rote Armee Fraktion» ( RAF ) nennt. Die terroristische Vereinigung hat zum Ziel, die Bundesrepublik «vom Imperialismus und Kapitalismus zu befreien».
    Über viele Jahre hinweg hält die RAF Westdeutschland in Atem. Morde und Mordversuche werden begangen, Sprengstoffattentate und Banküberfälle, wobei das erbeutete Geld in Fluchtautos, konspirativen Wohnungen, schweren Waffen und falschen Pässen angelegt wird. Die Republik verwandelt sich in einen Überwachungsstaat: Straßensperren mit Panzerwagen, Wohnungsdurchsuchungen, Kontrollen durch Polizisten mit Maschinengewehren im Anschlag, Verschärfungen der Gesetze,

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