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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Borwin Bandelow
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dagegen, dass jeder nach seiner Façon selig werden soll. Aber wo verläuft die Grenze zwischen einer gefährlichen Jugendsekte und der alltäglichen Religionsausübung in der katholischen Kirche an der nächsten Ecke? Ab wann wird Religion zum Kult, Liturgie zum bizarren Ritual, Versenkung zur psychopathischen Trance, Bekehrung zur Gehirnwäsche, Überzeugung zur manipulativen Propaganda? Wann werden Missionare zu subversiven Agenten und Klöster zu Kultlagern? Die Übergänge seien fließend, wenden Religionskritiker an. In Deutschland nehmen die evangelische und die katholische Kirche  9 , 4 Milliarden Euro jährlich an Kirchensteuer ein – trotz der offiziellen Trennung von Kirche und Staat. Dieses Geld werde nicht immer zum Wohl der Gemeinden oder der Bedürftigen verwendet, so die Skeptiker.
    Nun ist der finanzielle Aspekt vielleicht weniger bedeutend. Nichtreligiöse Menschen machen sich mehr Sorgen um die Manipulation der Seele als um das Schröpfen der Gläubigen. Aber von einer Gehirnwäsche kann man wohl kaum reden, wenn Pfarrer Hinrichs in der Johanniskirche das Vaterunser spricht oder für die achtzigjährige Elfriede Schneider die Zeit nach der sonntäglichen Messe die einzige Gelegenheit in der Woche ist, Gespräche mit ihren Mitmenschen zu führen. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten zwischen harmlosen herkömmlichen Religionen und schädlichen Gehirnwäsche-Kulten.
    So manche etablierte Weltreligion hat ja einmal als kleine Sekte angefangen. «Und war vielleicht nicht auch Jesus Christus nichts anderes als ein Sektenführer?», fragt sich vielleicht der eine oder andere Ungläubige. Welche der Historien, die das Leben des Jesus von Nazareth umrankten, waren Fakt, welche Fiktion – wer kann das heute mit Sicherheit sagen? Es kann natürlich sein, dass Jesus der Sohn Gottes war, der die Lahmen und Blinden heilte und zum Himmel fuhr. Es kann aber auch sein, dass er ein gewöhnlicher Sterblicher war, ein ausgesprochen charismatischer, eindringlicher Redner, der seine Anhänger ähnlich faszinierte wie die Gurus der heutigen Zeit. Immerhin verlangte er bedingungslosen Gehorsam: «Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein» (Lukas  14 , 26 – 27 ). Das Wesentliche, was Jesus von den Scharlatanen unterschied, war vielleicht, dass er «Liebe deinen Nächsten» predigte. Er bereicherte sich nicht persönlich und war nicht in kriminelle Aktivitäten verwickelt. Er hatte im Gegensatz zu den modernen Heilsbringern alles richtig gemacht, sonst hätte sich seine Religion nicht so nachhaltig in der ganzen Welt verbreitet. Und er hatte keine kranke Persönlichkeit, die nur auf Eigennutz ausgerichtet war, wie bei vielen der falschen Propheten.

Die weiße Nacht
    Eidesstattliche Erklärung
     
    Der Zweck dieser eidesstattlichen Erklärung ist es, die Regierung der Vereinigten Staaten auf eine Situation hinzuweisen, die das Leben von Bürgern der USA bedroht, die in Jonestown, Guyana, wohnen.
    Ich war achtzehn, als ich Peoples Temple beitrat. Ich hoffte, durch meinen Beitritt anderen Menschen helfen zu können und zugleich Struktur und Selbstdisziplin in mein eigenes Leben zu bringen. Eine Zeitlang war ich die Finanzsekretärin von Peoples Temple. Ich nahm wahr, dass die Organisation sich immer weiter von ihrer ursprünglichen Bestimmung, nämlich soziale Veränderungen und Demokratie zu fördern, entfernte. Reverend Jones hat in den letzten Jahren mehr und mehr eine tyrannische Herrschaft über die Tempelmitglieder errichtet. Er bezeichnete jeden, der die Organisation verlassen wollte, als Verräter und «zum Abschuss freigegeben». Viele Tempelmitglieder wurden körperlich gezüchtigt.
    Reverend Jones sah sich selbst als Verschwörungsopfer. Er überzeugte Tempelmitglieder, dass sie alle auf einer Schwarzen Liste der CIA stünden und in Konzentrationslager gekommen wären, wenn sie ihm nicht nach Guyana gefolgt wären. Während man am Anfang noch den Eindruck hatte, dass er zwischen Realität und Phantasie unterscheiden konnte, entwickelte er zunehmend einen Verfolgungswahn.
    Er hielt sich selbst für die Reinkarnation von Lenin, Jesus oder anderen wichtigen Persönlichkeiten und sagte, dass er gute Verbindungen zu mächtigen Organisationen und Politikern habe, wie die Mafia, die Sowjetregierung oder Idi Amin. Er behauptete, göttliche Fähigkeiten zu haben und Kranke heilen zu

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