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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Orthopädischen Institut plötzlich links ab, überquerte die Hauptstraße und fuhr durch die 0vre Storgate, vorbei an der stillgelegten Apotheke und dann an der Centralgarage. Er näherte sich dem Bahnübergang. Und in diesem Moment sprang die Ampel auf Rot. Er wollte schon hinüberjagen, entschied sich dann aber anders. Er durfte ja nicht auffallen. Durch die Zähne fauchte er: »Stillsitzen und die Fresse halten. Der Revolver liegt bereit.«
    Diese Bemerkung hätte er sich sparen können. Die Geisel schwieg. Im Rückspiegel sah er einen roten Volvo, der hinter seinem Wagen zum Stehen kam. Der Fahrer trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. Ihre Blicke begegneten sich im Spiegel. Er hielt verzweifelt nach dem Zug Ausschau und hörte ihn schließlich heranpoltern; für einen Moment wurde sein Herzklopfen davon übertönt. Seltsamerweise saß die Geisel ganz still da und schaute aus dem Fenster. Der Zug dröhnte vorüber. Aber die Schranke bewegte sich nicht. Er schaltete und wartete. Der Wagen hinter ihm kam noch etwas näher, fast berührte er seine Stoßstange. Direkt neben ihm stand ein grüner Citroën. Schweiß floß ihm in die Augen, aber die Schranke rührte sich nicht. Für einen wilden Moment dachte er, die Polizei habe sie geschlossen. Könne in der nächsten Sekunde mit scharfer Munition seine Tür aufschießen und ihn aus dem Wagen reißen. Er war eingeschlossen. Er konnte weder drehen noch zurücksetzen, warum zum Teufel wurde die Schranke nicht geöffnet? Der Zug war doch schon über alle Berge, der Motor des Volvos hinter ihm dröhnte auf; er hob die Hand, die den Revolver hielt, und fuhr sich damit über die Stirn. Dachte, daß der Fahrer des grünen Citroën die Waffe jetzt sicher gesehen hatte. Endlich hob die Schranke sich, langsam und widerwillig. Er huckelte vorsichtig über den Bahnübergang. Der Volvo hinter ihm verschwand nach rechts. Er wollte den Fluß überqueren, wollte Platz, Streifenwagen und Menschenmenge unterhalb umfahren. Während die Polizei die Leute ausfragte, würde er in nur dreißig Meter Entfernung vorbeikommen. Er war beeindruckt von seinem Plan. Das Problem war die Geisel. Plötzlich bremste er und hielt an. Der Wagen war halbwegs hinter einem Müllcontainer vor dem Busbahnhof versteckt. Er zog die Handbremse an.
    »Was ich wissen will«, sagte er, »ist, was du so verdammt früh in der Bank zu suchen hattest.«
    Weiterhin Schweigen.
    »Du bist taub, was? Du kannst nicht hören, Scheiße.«
    Die Geisel hob den Kopf. Zum erstenmal starrte der Bankräuber in die flackernden Augen. Im Auto war es still, und es wurde immer heißer. Unsicher versuchte er, den Ausdruck in dem bleichen Gesicht zu deuten. In der Ferne hörte er ein Martinshorn. Es setzte leise ein, wurde ein wenig lauter, verstummte mit leisem »Plopp«. Ein seltsames Gefühl überkam ihn, er hatte die Bank gar nicht ausgeraubt, sondern träumte einen Traum ohne logische Handlung, darin kamen und gingen seltsame Gestalten, deren Bedeutung er nicht verstand.
    »Na gut«, sagte er und stieß die Geisel mit dem Revolverlauf an. »Auch Taube hören, wenn man ihnen auf die Schulter klopft.«
    Er schaltete wieder, überquerte die Brücke und passierte die Bank. Er wollte keinen einzigen Blick in diese Richtung werfen, konnte seine Angst aber einfach nicht kontrollieren. Ganz kurz starrte er nach links. Vor dem Eingang der Bank hatte sich eine Gruppe von Menschen versammelt. Eine Person überragte alle anderen. Ein hochgewachsener Mann mit kurzen silbergrauen Haaren.
    ER HÄTTE SICH EIGENTLICH auf den Mord in Finnemarka konzentrieren müssen. Aber er saß an seinem Schreibtisch und starrte ein kreideweißes Blatt Papier an. Wenn er die Augen schloß, sah er deutlich, fast wie ein Foto, das Gesicht des Bankräubers vor sich. Schwierig war es nur, seinem Gegenüber dieses Bild zu vermitteln.
    So hatten schon viele vor ihm gesessen, hatten geschwitzt und sich abgemüht, sich an alles zu erinnern, an ein besonderes Kennzeichen, an die Augenfarbe, an die Nase, ob nun lang oder kurz. Er hatte das Gefühl, ein gutes Gedächtnis zu haben, und er hielt sich für einen aufmerksamen Beobachter mit Blick für Einzelheiten. Aber jetzt kamen ihm Zweifel. Er war ziemlich sicher, daß der Mann blond gewesen war, aber dann überlegte er sich, daß das scharfe Sonnenlicht in der Fußgängerzone den Haaren einen goldenen Schimmer hatte geben können, den sie in Wirklichkeit gar nicht besaßen. Außerdem war der Mann dunkel gekleidet

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