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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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scharfen Strahl. Aber jetzt legte der Bankräuber die Waffe aufs Armaturenbrett, oberhalb vom Lenkrad. Er mühte sich damit ab, Pullover und Cordhose auszuziehen, wobei er noch immer Handschuhe trug. Es war ein kleines Auto, die Sache war also nicht einfach. Er keuchte und fluchte und kämpfte mit seiner Hose, aber endlich hatte er es geschafft und war verschwitzter denn je. Nun trug er Kleidung, die sicher eine Art Tarnung bieten sollte, wie Errki annahm. Nestor im Keller wieherte leise. Unter den dicken Sachen halte der Bankräuber knallbunte Bermudashorts mit Früchten und Palmen und ein blaues Unterhemd mit einem Donald-Bild getragen. Plötzlich langte er an Errki vorbei und öffnete das Handschuhfach. Nahm eine Sonnenbrille heraus und setzte sie auf. Damit war seine Erscheinung perfekt. Errki mußte ihn einfach anstarren. Der kräftige Mann sah seltsam aus in seinen bunten Shorts. Und er kämpfte um die Kontrolle über seine Stimme.
    »Du hast keine Ahnung von der ganzen Kiste, also halt die Fresse. Halt die Fresse, bis ich dich etwas frage.«
    Errki hatte kein Wort gesagt. Trotz seiner Lederjacke und der schwarzen Hose schwitzte er nicht. Er gab sich alle Mühe, ganz ruhig zu sitzen. Wenn er sich nicht bewegte, war er fast unsichtbar.
    »Verdammt, du stinkst ja vielleicht!«
    Der Bankräuber schnaubte heftig, um seinen Abscheu zu zeigen, und machte das Fenster noch weiter auf. Errki fragte sich, ob der Mann auf diesen Ausbruch eine Reaktion erwartete oder ob er einfach Dampf ablassen wollte. Sicherheitshalber schwieg er weiterhin. Außerdem sang Nestor mit leiser Stimme einen schönen Choral, und wenn Nestor ein seltenes Mal guter Laune war, sollte man das genießen. Errki fand es nicht besonders wichtig, wohin sie unterwegs waren oder was passieren würde, wenn sie ihr Ziel erreicht hatten. Er wandte all seine Kraft auf, um sich einzukapseln, um alles andere auszuschließen. Diesen Mann. Diesen Augenblick. Den Revolver. Aber er konnte seine Hände nicht stillhalten. Sie öffneten und schlossen sich unaufhörlich, immer schneller.
    »Mußt du die ganze Zeit mit den Händen rumfuchteln?« fragte der Bankräuber gereizt. »Das sieht doch krank aus. Verdammt, das macht mich total verrückt.«
    Worauf Errki anfing, sich hin und her zu wiegen. Hier konnte er sich einfach nicht unsichtbar machen, neben ihm saß ein Sturm, der sich so bald nicht legen würde. Er versuchte, sich von diesem Sturm wegzudrehen. Starrte aus dem Fenster. Die Trommeln quälten seine Ohren. Er machte eine kleine Handbewegung, um den anderen zum Schweigen zu bringen.
    »Du interessierst dich vielleicht nicht für Geld«, sagte der Bankräuber, jetzt etwas ruhiger. »Du kapierst vielleicht nicht, wozu das gut ist?«
    Errki hörte zu. Der andere hatte die Stimme gesenkt. Jetzt war er plötzlich ungeheuer anwesend, hinter dieser Frage steckte echte Neugier. Interessierst du dich für Geld? Doch, im Grunde schon. Aber er hatte ja ein paar Kronen in der Tasche. Die Antwort war also gewissermaßen ja und nein zugleich. Ob er das sagen sollte?
    »Wenn du mich fragst, dann glaube ich, du bist aus irgendeiner Anstalt abgehauen. Ist ja auch nicht so lustig da. Hauen viele ab. Und dann trotten sie mit eingekniffenem Schwanz zurück. Wie sieht das bei dir aus? Bist du auch so einer?«
    Bist du auch so einer? Die Frage war fast schon rührend, dieser verdeckte Wunsch, endlich zu erfahren, wer er war. Errki schloß wieder die Augen. Langsam ließen sie die Stadt hinter sich. Böse Absichten oder keine. Er stellte fest, daß er das einfach nicht wußte. Erbsen, Fleisch und Speck, dachte er, Blut, Schweiß und Tränen. Das hier war beunruhigend.
    Die Straße stieg jetzt sachte an. Weiter vorn, auf einer Anhöhe auf der linken Seite, gab es einen Aussichtspunkt. Das wußte Errki, er kannte sich hier aus. Diese Straße war eine der vielen, auf denen er im Laufe der Jahre umher gewandert war. Zunächst mußten sie einen Tunnel passieren, und plötzlich war das Wageninnere in Dunkel getaucht. Der Fahrer wurde sofort nervös, er schien einen Angriff zu fürchten. Er riß sich die Sonnenbrille von der Nase, als ihm aufging, wie dunkel es war. Dann lag der Tunnel hinter ihnen. Errki kniff die Augen zusammen. Es war nur noch ein Kilometer bis zu der Mautschranke, an der es keine eigene Spur für Autofahrer mit Dauerkarte gab. Sie mußten also entweder anhalten und bezahlen oder die Sperre durchbrechen. Es handelte sich lediglich um eine rot-weiß angestrichene

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