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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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sein Zimmer?«
    »Im ersten Stock, ganz hinten. An der Tür klebt eine Schokoladenreklame.«
    Sejer hatte eine Tüte Schokoriegel mitgebracht. Er machte zwar keinen Krankenbesuch, aber der arme Junge hatte doch etwas Schreckliches erlebt und brauchte vielleicht ein wenig zusätzliche Freundlichkeit. Aber als er den fetten Jungen auf dem Bett sah, bereute er.
    »Guten Tag, Kannick. Ich heiße Konrad.«
    Er stand in der Tür zu dem Zimmer, das Kannick mit Philip teilte. Der Junge lag auf dem Rücken und las einen Comic. Er kaute auf etwas herum, das zwischen seinen Zähnen knirschte, und schaute auf. Zuerst sah er Sejer an, dann die Tüte in dessen Hand.
    »Ich bin von der Polizei.«
    Kannick warf seine Zeitschrift hin. »Ich hab den Jungs schon gesagt, daß du kommen wirst, aber die wollten mir nicht glauben. Sie haben behauptet, ich wäre nicht wichtig.«
    Sejer lächelte. »Natürlich bist du wichtig. Ich habe mich eine Weile mit Margunn unterhalten. Darf ich mich auf deine Bettkante setzen?«
    Der Junge zog die Beine an. Sejer dachte, dieses überflüssige Fett könnte dem Gewicht eines anderen Jungen entsprechen, den er auf dem Rücken trägt. Er reichte Kannick die Tüte.
    »Versprichst du, mit den anderen zu teilen?«
    »Sicher.«
    Er legte die Tüte auf den Nachttisch.
    »Du hast also Gurvin Bescheid gesagt?«
    Der Junge schob sich seinen langen Pony aus der Stirn. Er trug abgeschnittene Jeans und ein T- Shirt, und seine Füße steckten in schwarzen Mokassins.
    »Er hat immer nur nach der Uhrzeit gefragt. Aber ich hatte keine Uhr bei mir. Die ist beim Uhrmacher.«
    »Und das ist wirklich bedauerlich«, sagte Sejer. »Uhrzeiten sind für uns bei der Polizei sehr wichtig. Oft kann die Zeit alles erklären. Oder Leute entlarven, die uns an der Nase herumführen wollen.«
    Kannick blickte ihn entsetzt an und schien das für eine Anspielung zu halten. »Ich kann euch auf keinen Fall an der Nase herumführen«, sagte er. »Denn ich weiß doch überhaupt keine Uhrzeit. Ich weiß nur, daß ich um sieben von hier weggegangen bin, deshalb.« Er zeigte auf den Wecker, der auf seinem Nachttisch stand.
    »Mit anderen Worten, du bist so eine Art Frühaufsteher? Du hast doch Sommerferien.«
    »Es war so heiß. Ich konnte nicht mehr schlafen. Und Philip schnauft so schrecklich, weil er Asthma hat.«
    Sejer schaute sich im Zimmer um. Eine Vertiefung im Bett zeigte, wo vor seinem Besuch vielleicht Philip gelegen hatte, und auf dem Nachttisch standen allerlei Medikamente und ein Inhaliergerät. Durch das Fenster sah er die Köpfe dreier Jungen, sie betrachteten seinen Streifenwagen. Ab und zu schauten sie zum Fenster herauf.
    »Aber wir können doch einen ungefähren Zeitpunkt feststellen. Wenn wir uns gegenseitig helfen. Versuch, den Tag in Gedanken noch einmal durchzugehen. Von dem Moment an, als du hier aufgebrochen bist. Das war um sieben, hast du gesagt. Von hier bist du in den Wald gegangen?«
    »Ja.«
    »Und du hattest deinen Bogen bei dir?«
    »Äh, ja.« Kannick schlug die Augen nieder.
    »Deshalb werde ich dich nicht festnehmen. Das ist Margunns Angelegenheit. Bist du schnell gegangen?«
    »Nicht sehr.«
    »Bist du unterwegs mal stehengeblieben?«
    »Ich bleibe ab und zu stehen und horche ein bißchen. Auf Krähen und so. Vielleicht zweimal.«
    »Da oben gibt es ein Gebiet, in dem du dich häufiger aufhältst, stimmt das?«
    Kannick zupfte an seinem T-Shirt, um seinen Bauch zu bedecken.
    »Ein Stück oberhalb von Halldis’ Hof ist eine ebene Fläche. Und da gibt es mehrere Wege, ich kann mir also einen aussuchen. Ich kenne mich gut aus.« Kannicks Stimme hob und senkte sich. Er ließ die Beine über die Bettkante baumeln und hatte die Oberschenkel weit auseinander. Es war für diesen
    Jungen einfach unmöglich, mit geschlossenen Beinen dazusitzen.
    »Du bist also du dieser Stelle gegangen, zu dieser Anhöhe, und hast unterwegs zwei kurze Pausen eingelegt?«
    »Ja.«
    »Kannst du so ungefähr sagen, wie lange du unterwegs warst? Wenn du es mit etwas anderem vergleichst, was du sonst machst?«
    »Ungefähr so lange wie eine Folge Akte X.«
    »Akte X? Dürft ihr das sehen?«
    »Ja, sicher.«
    »Eine Folge dauert eine Dreiviertelstunde, ja?«
    »Mhm.«
    »Na also.« Sejer schlug die Beine übereinander und lächelte ermutigend. »Du bist also oben angekommen, und es ist ungefähr Viertel vor acht?«
    »So spät war es wohl, ja.« Kannick schielte zu der Tüte mit den Schokoriegeln hinüber. Es war eine Großpackung. Rasch

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